Das Wahlergebnis von Brandenburg zeigt: Progressive Parteien können zulegen, Mehrheiten erringen und ihre klare Abgrenzung zu neofaschistischen Parteien mobilisiert Wählerinnen und Wähler. Pressestimmen zum Wahlgewinn der SPD in Brandenburg.
Natürlich ist es auch in Deutschland so. Friederike Haupt und Lukas Fuhr schreiben am 22. September in der FAZ: »In Umfragen hatte die AfD bis zum Wahltag vorn gelegen«. Der armselig frömmelnde Glaube an Umfragen, bringt niemand etwas und nie etwas, außer die Erkenntnis, dass rechtsextreme Parteien darin stets überbewertet werden. Das ist so, weil die Dämonisierung Rechtsextremer zu ihrer Überrepräsentation in den Medien führt. Man macht mit der Angst Quote und damit Geld. So war es mit Jörg Haider. So ist es mit der AfD. So ist es auch, wenn der SPIEGEL ein Cover mit Herbert Kickl bringt.
Tritt die bereits plakatierte Sensation dann nicht ein, kehrt man sofort zur Relativierung des Wahlerfolgs zurück. Er war diesmal ein Wahlerfolg der SPD, die nicht nur Erste wurde, sondern auch fast fünf Prozentpunkte dazugewann. Sie bewegt sich also doch. Nach den Wahlen in Thüringen und Sachsen beklagte man sich, es sei im Wahlkampf nur um Bundesthemen gegangen und zu wenig um die Probleme des Bundeslands, das gewählt hat. Das wird jetzt wieder umgedreht. Der FAZ-Artikel weiter:
Dass Woidke angekündigt hatte, er werde keine neue Regierung anführen, wenn die AfD stärkste Kraft werde, gab anscheinend einigen zu denken. Auch AfD-Anhänger äußerten, dass sie es schade fänden, wenn Woidke weg wäre. Der Ministerpräsident, seit elf Jahren an der Spitze des Landes, ist der beliebteste Politiker in Brandenburg. Darauf war auch der Wahlkampf der SPD ausgerichtet gewesen. Woidke hatte alles darangesetzt, abgekoppelt von der Bundes-SPD wahrgenommen zu werden.
Klare Abgrenzung nach rechts
Die klare Abgrenzung der Sozialdemokratie gegenüber neofaschistischer Parteien ist gut und wichtig. Und sie mobilisiert. Dietmar Woidke hat das in Brandenburg konsequent gemacht und Andreas Babler macht das konsequent in Österreich, wie es seine Vorgängerinnen und Vorgänger seit 1986 tun. Die Christdemokraten tun es nicht, wie Ursula Von der Leyens Bestellung von Raffaele Fitto und die nicht vorhandene Abgrenzung der ÖVP von der FPÖ, mit der sie in drei Ländern koaliert, zeigen.
Die Anbiederung an Positionen der Neofaschisten bringt aber nichts, wie Christian Parth und Tilman Steffen in der ZEIT feststellen:
Die Annahme, dass eine Umarmung rechter Positionen insbesondere in der Migrationsdebatte das Problem mit der AfD an sich lösen werde, sei ein „Irrglaube“, sagt Politologe Hans Vorländer von der Uni Dresden. Ampel und Union seien in die Glaubwürdigkeitsfalle gelaufen, als sie kurz vor den Wahlen im Osten plötzlich eine konsequente Abschiebepolitik verfolgen wollten. „Die Menschen nehmen der Regierung und auch der Union nicht ab, dass sie es wirklich ernst meinen, und halten zu der Partei, die Abschiebungen schon vor langer Zeit zum Kern ihrer Politik erklärt hat.“
Eine Lektion, die nicht nur in Deutschland längst nicht alle gelernt haben, sondern die in Österreich die treibende Kraft einer ÖVP ist, die das zweite Mal innerhalb von neunzig Jahren, dem Faschismus statt durch Opposition mit Imitation begegnet.
Abgrenzung zur Bundespolitik
Doch auch eine gewisse Abgrenzung zur Bundespolitik war für diesen Wahlgewinn der SPD nötig, wenn man Daniel Friedrich Sturm glaubt, der im Tagesspiegel feststellt:
Für Scholz ist das unerwartet sehr gute Abschneiden der SPD Grund zur Erleichterung, jedoch mit einem bitteren Beigeschmack. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), der Wahlsieger, hatte in den vergangenen Monaten Kritik an der Ampel-Koalition in Berlin geübt und demonstrative Distanz zu Scholz gehalten. Selbst gemeinsame Fotos mit dem Kanzler suchte Woidke zu vermeiden, wenn auch etwa auf dem Sommerfest der märkischen SPD erfolglos.
Wobei hinzugefügt werden muss, dass Woidkes Kurs auch Zustimmung von Konservativen brachte, wie Sturm feststellt:
Gewiss, viele Mitte-Wähler wollten verhindern, dass die AfD stärkste Kraft wird, wie es ihr vor genau drei Wochen in Thüringen gelungen war. Es kam daher zu einer Polarisierung, zu einer Zuspitzung des Wahlkampfes auf ein Duell Woidke versus AfD. Das half der SPD, so wie es jüngst der CDU in Sachsen zugutegekommen war, wo Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) profitierte. Der hatte, eine kleine Besonderheit dieses Wahlkampfes, kürzlich zur Wahl Woidkes geraten, ebenso wie Ex-Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth (CDU).
Aus für die Kenia-Koalition
Freilich muss Woidke eine Dreierkoalition bilden. Die bisherige Kenia-Koalition (rot-schwarz-grün) hat nach Verlusten der CDU und der Grünen keine Mehrheit mehr. Da die AfD für die SPD keine Option ist, verfügt nur eine Regierung aus SPD, CDU und Bündnis Sarah Wagenknecht über eine Mehrheit. Eine schwierige Aufgabe, noch dazu mit einer neuen Partei, die wie alle Listen, die auf die Identifikation mit einer einzigen Person aufgebaut sind, kein langes Leben haben wird. Zurzeit hat Wagenknecht die Linke pulverisiert, allerdings um den Preis, dass sie sich ideologisch weit nach rechts lehnt und pragmatisch zumindest weiter nach rechts lehnt als früher.
In ziemlich genau einem Jahr werden die Wahlen zu deutschen Bundestag stattfinden. Es könnte ein Bundestag aus sieben Fraktionen werden; allerdings sieht es heute danach aus, als müssten Grüne, Linke und FDP um den Einzug bangen.