Droht jetzt Krieg?
In der Nacht auf Mittwoch griff der Iran US-Soldaten auf zwei irakischen Basen an. Die USA ziehen nun ihre Truppen aus dem Irak ab.
Wien/Bagdad 08. Jänner 2020 / Die angekündigte Vergeltungsaktion für die Ermordung des iranischen Generals Qasem Soleimani durch einen US-amerikanischen Dohnenangriff erfolgte in der Nacht auf Mittwoch. Das iranische Militär schoss nach eigenen Angaben 22 ballistische Raketen auf zwei irakische Militärbasen – nahe Al Asad bzw. Erbil – ab, auf denen amerikanische Soldaten stationiert sind. Nach offiziellen Angaben vonseiten des Irak und der USA verursachten die Angriffe keine Verluste an Menschenleben. Die New York Times veröffentlichte ein Video, das die Raketenangriffe zeigen soll.
Video: NYT
Die iranischen Revolutionsgarden zeigten auf dem Kurznachrichtendienst Telegram weitere Drohgebärden: “Die entschlossene Rache der Revolutionsgarden (für die Tötung Soleimanis, Red.) hat begonnen.” Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif war hingegen auf Twitter um Beruhigung bemüht: “Wir wollen keine Eskalation oder Krieg, werden uns aber gegen jede Aggression zur Wehr setzen.”
Krieg oder Frieden?
Steigt durch den Angriff die Gefahr für einen Krieg im Mittleren Osten? Universitätsprofessor Heinz Gärtner, Spezialist für internationale Sicherheitspolitik am International Institute for Peace (IIP) sagt gegenüber ZackZack, der iranische Angriff stelle eine Deeskalation im Konflikt zwischen USA und Iran dar:
“Der Iran musste einen symbolischen Vergeltungsschlag durchführen, um sein Gesicht zu wahren.” Dabei wurden aber keine roten Linien überschritten. Für Trump wäre das der Tod amerikanischer Staatsbürger gewesen. Wären US-Soldaten bei dem Angriff zu Schaden gekommen, hätte Trump sich gezwungen fühlen können, mit einer weiteren Eskalation zu reagieren. Das hätte etwa ein Angriff auf iranische Militär- oder Atomanlagen sein können, so Gärtner.
Tatsächlich reagierte Trump auf Twitter mit ungewöhnlich leisen Tönen: “Alles ist gut!”, schrieb der Präsident. “Raketen aus dem Iran auf zwei Militärbasen im Irak abgeschossen. (…) So weit, so gut! Wir haben bei weitem das mächtigste und bestausgerüstetste Militär der Welt!”
Screenshot: Twitter
Experte Gärtner: “Regime hat gewonnen”
Innenpolitisch helfen die jüngsten Auseinandersetzungen dem iranischen Regime. Nach Aufständen im November sitzt die iranische Führung wieder fest im Sattel. Dass hunderttausende Anhänger bei Trauerfeiern für General Soleimani auf die Straße gegangen waren, sei Beweis für die große Mobilisierungsfähigkeit der Machthaber, so Heinz Gärtner: “Das Regime hat gewonnen.” Auch für Trump, der außenpolitisch kaum Erfolge vorweisen könne, stelle der Konflikt mit dem Iran eine Möglichkeit dar, vor den Präsidentschaftswahlen an außenpolitischem Profil zu gewinnen.
US-Sanktionen treffen die iranische Wirtschaft hart. Im April 2019 bildeten sich lange Schlangen an den Tankstellen, als die Regierung Subventionen für Treibstoff kürzen musste. Bild: AFP
Realpolitisch habe Trump jedoch das Gegenteil einer Stärkung der amerikanischen Position im Mittleren Osten erreicht. “Die Ermordung Soleimanis hat die antiamerikanische Stimmung in der Region erhöht”, so Gärtner weiter, der 2019 ein Buch über die Stellung des Iran im internationalen System herausgebracht hat. Offenbar unter irakischem Druck haben die USA nun angekündigt, ihre Truppen binnen drei Tagen aus dem Irak abziehen zu wollen. Das meldete die staatliche Kuwait News Agency. Ein kuwaitischer Regierungssprecher dementierte jedoch die Abzugspläne. Der Twitter-Account der Agentur sei gehackt worden. Allerdings haben auch die NATO-Partner der USA ihre Truppen bereits aus dem Irak abgezogen.
Trump als neuer Nixon?
Eine Lösung des seit Jahren schwelenden Konflikts zwischen den USA und dem Iran ist nicht in Sicht. Die USA hatten mit ihrem Ausstieg aus dem Atomabkommen mit dem Iran 2018 den wirtschaftlichen und politischen Druck auf das iranische Regime stark erhöht. Eine Lösung könnte für Heinz Gärtner darin bestehen, dass die USA und der Iran öffentlich darauf verzichten, eine Vormachtstellung in der Region aufzubauen. Eine vergleichbare Einigung hatten schon 1972 Mao Zedong und Richard Nixon erzielt.
(tw)
Titelbild: Trauerfeier für General Qasem Soleinmani. Bild: AFP/APA Picturedesk