Sanitäter kurz vor Streik
Wer als außerordentlicher Zivildiener seinen Dienst leistet, verdient mit Zuschlägen bei einfachen Tätigkeiten mitunter mehr als so mancher langgedienter Rettungssanitäter. Letztere fühlen sich zu wenig wertgeschätzt – jetzt platzt ihnen der Kragen.
Wien, 19. Mai 2020 | Wenn die Corona-Krise für etwas gut ist, dann dafür aufzuzeigen, wo überall der Hut brennt. Insbesondere im Gesundheits- und Sozialsystem zeigte die Krise bisher zahlreiche Missstände auf und lenkte Aufmerksamkeit auf sonst unbeachtete Berufe. ZackZack berichtete über die Krankenpfleger, die 24-Stunden-Betreuerinnen, SozialpädagogInnen, Obdachlosenbetreuer oder Reinigungskräfte. Nun meldet sich die nächste Berufsgruppe zu Wort – die Rettungssanitäter: Ihr seit Jahren angestauter Frust kommt jetzt heraus, angesichts der zum Einsatz kommenden Zivildiener, die für einfache Tätigkeiten mehr verdienen als ein seit 7 Jahren tätiger Rettungssanitäter in der Steiermark. ZackZack hat mit zwei Betroffenen gesprochen. Sie schildern die prekäre Lage ihrer Berufsgruppe und erheben schwere Vorwürfe gegen ihren Dienstgeber, das Rote Kreuz.
„Rotes Kreuz kurz vor Streik“
ZackZack erreichte eine Email mit dem Betreff „Rotes Kreuz kurz vor Streik“. Der Absender: Ein Rot-Kreuz-Rettungssanitäter aus der Steiermark. Er schildert darin seine Lage und beschreibt die Situation der hauptamtlichen Mitarbeiter:
hallo
Ich arbeite schon jahrelang beim Roten Kreuz hauptberuflich, verdiene knapp meine 1550 €, möchte jetzt meinen Unmut kundtun, jetzt in der Corona Krise, arbeiten wir auf Hochtouren, & sind nur noch am Limit.
Die Rettungssanitäter arbeiten auf Hochtouren und sind am Limit – erhalten dafür ein mehr als überschaubares Gehalt, und das insbesondere in der Steiermark, denn die Entlohnung der Sanitäter ist laut Kollektivvertrag nach Bundesländern unterschiedlich gegliedert.
Diese Gehaltstabelle (gültig für Arbeitnehmer in der Steiermark) ist Teil des Kollektivvertrags der Berufsvereinigung von ArbeitgeberInnen in Rettungs- und zugehörigen Sanitätsberufen (BARS), dem sowohl Mitarbeiter des Roten Kreuzes, als auch zum Beispiel des Samariterbunds unterliegen. “Stufe 1” umfasst das erste und zweite Berufsjahr, “Stufe 2” das dritte und vierte Berufsjahr, usw.
Ein hauptamtlicher Rettungssanitäter, der im 8. Berufsjahr ist, verdient laut Gehaltstabelle des Steiermark-Anhangs im Rot-Kreuz-Kollektivvertrag 1.870,80 Euro brutto. Mittels Brutto-Netto-Rechner der Arbeiterkammer haben wir das Nettogehalt ermittelt:
1.438 Euro netto für eine Vollzeitanstellung als Rettungssanitäter in der Steiermark im 8. Berufsjahr.
72,67 Euro Erschwerniszulage
1.438,10 Euro für eine Vollzeit-Anstellung unter teils schweren Bedingungen: Die Sanitäter haben einen Knochenjob und tragen regelmäßig teils schwer übergewichtige Patienten in und aus ihren Wohnungen, oft auch ohne Lift. Dafür erhalten sie eine Erschwerniszulage von monatlich € 72,67 Euro. Das macht in Summe also ein Gehalt von 1.510,77 Euro aus. Die Zulage wird im Übrigen nicht automatisch bei allgemeinen Gehaltserhöhungen valorisiert – und auch nicht bei der Bemessung des 13. und 14. Monatsbezuges herangezogen.
1.700 netto für außerordentliche Zivildiener
Wer sich freiwillig zum außerordentlichen Zivildienst gemeldet hat oder dazu einberufen wurde, jetzt in der Corona-Krise, der schneidet wesentlich besser ab als ein seit mehreren Jahren hauptamtlich arbeitender Rettungssanitäter. Das schreibt unser Informant in seiner Email:
„Jetzt sind freiwillige ehemalige Zivildiener einberufen worden, die sich freiwillig gemeldet haben und bekommen mehr Gehalt, als diejenigen, die tagtäglich für alle im Einsatz sind. Sie bekommen fast 1900€ ausbezahlt, also fast um 400 € mehr als jemand der qualifizierter ist als sie, und mehr Ausbildung hat und mehr Berufserfahrung, wo liegt da die Fairness.“
Im Anhang: Die Gehaltstabelle aus dem KV des Roten Kreuzes Steiermark sowie ein Link zur Zivildienstserviceagentur, dem der Verdienst von Zivildienern zu entnehmen ist:
Nicht nur fast 1.700 Euro Gehalt – auch freie Fahrt mit den Zügen der ÖBB oder die Abgeltung des Arbeits- und Heimweges erhalten die außerordentlichen Zivildienstleistenden. Eine Anerkennung, von der andere – insbesondere Sozialberufe – nur träumen können.
Gesetzlich vorgesehen sind neben der generellen Pauschalentschädigung von 1.292,74 Euro brutto eine Grundvergütung in der Höhe von 34,70 Euro sowie ein Zuschlag zur Grundvergütung von 189,90 Euro. Ergibt für April 2020 einen Verdienst von insgesamt 1 681,34 Euro netto. ZackZack hat Kontakt mit einem außerordentlichen Zivildiener aufgenommen, der derzeit seinen Dienst beim Samariterbund leistet. Gegenüber ZackZack bestätigt er, dass er gleich viel wie seine hauptamtlichen Kollegen arbeitet, aber mehr als sie verdient.
„Hausmeister-Dienste“ besser bezahlt als Rettungs-Sani
Dabei muss der außerordentliche Zivildiener nicht einmal dieselbe Tätigkeit machen wie der Rettungssanitäter. Die außerordentlichen Zivildiener werden für allerlei unterschiedliche Tätigkeiten herangezogen. Der anonyme Informant schreibt dazu in seiner Mail:
„Und nein die außerordentlichen Zivildiener sind nicht im Rettungsdienst eingesetzt, sie verrichten Hausmeister-Tätigkeiten, stehen beim Hofer & teilen Essen aus, aber verdienen mehr als wir, wenn es so weiter geht sind wir kurz davor zu streiken.“
Darüber hinaus müssten die Rettungssanitäter, wenn sie eine Ausbildung machen wollen, ihren Urlaub dafür aufwenden. Im Falle der Notfallsanitäter-Ausbildung wäre das der gesamte Jahresurlaub, so unser Informant.
Mitarbeiter total verängstigt
ZackZack bat auf die Email hin um telefonische Kontaktaufnahme. Kurz darauf erreichte die Redaktion ein Anruf von anonymer Telefonnummer. Am anderen Ende der Leitung meldete sich ein aufgebrachter Rettungssanitäter des Roten Kreuzes in der Steiermark, ein Kollege des Email-Verfassers. Er will seinen Namen nicht nennen, auch seine unterdrückte Telefonnummer möchte er nicht bekannt geben. Er wirkt total verängstigt und möchte trotz Hinweis auf unser Redaktionsgeheimnis auf keinen Fall, dass wir seinen Namen oder Telefonnummer haben. Zu riskant sei es, dass sein Arbeitgeber erfahren könnte, wer sich an ZackZack gewandt hat.
Hauptamtliche extrem sauer
Mit bebender Stimme schilderte er am Telefon die Lage der hauptamtlichen Mitarbeiter:
„Wir Hauptamtliche haben eine Erschwernis-Zulage von 72€. Für die ganze Schlepperei den ganzen Tag, wir heben ja viele Patienten. Wir arbeiten acht Stunden täglich durchgehend hoch konzentriert und erhalten keine Blaulicht-Zulage, keine Infektionszulage, gar nichts! Es ist in jedem Bundesland anders – in Oberösterreich sieht es anders aus. In Kärnten bekommen sie noch weniger als bei uns.“
Die Hauptamtlichen tragen auch die Verantwortung für die Zivildiener, die sie „kontrollieren müssen, weil sie keine Fehler machen dürfen – das fressen sonst alles wir“, so der anonyme Rettungssanitäter im Gespräch mit ZackZack. Er und viele seiner Kollegen seien am Limit – und auch das soziale Argument zieht nicht mehr:
„Es staut sich bei uns seit Jahren alles – der Frust wurde die ganze Zeit geschluckt, wir haben uns lange gesagt: „Wir machen es halt für die Menschen“ usw. Aber jetzt reichts. Jeder von uns hat Kinder zu ernähren und seine Kosten zu decken.“
Alleingelassen und eingeschüchtert
Auch von Betriebsratsseite sei nicht viel zu erwarten, denn der werde aus dem Bereich der Hauskrankenpflege gestellt, die ganz andere Probleme und daher keinen Einblick in die Problemlagen der Rettungsfahrer habe:
„Wir sind ziemlich eingeschüchtert worden. Wir haben auch keinen richtigen Betriebsrat, der wird von der Hauskrankenpflege geleitet – der hat mit dem Fahrdienst nichts zu tun. Das Problem ist, dass wir keinen Zusammenhalt haben,“
Erzählt er weiter. Denn auch im Fahrtendienst gäbe es unterschiedliche Verträge aus unterschiedlichen Jahren, manche haben bessere Verträge und sehen daher keinen Anlass, etwas zu ändern.
„Je billiger, desto besser“
Weitere schwere Vorwürfe gegen das Rote Kreuz kommen auch von diesem Informanten am Telefon: Er spricht von einer „Konkurrenz“ zwischen Hauptamtlichen und Freiwilligen. Es wäre im Interesse des Roten Kreuzes, dass die Rettungsdienste nur noch von Freiwilligen gemacht würden. Davon hätten sie aber nicht genug, bräuchten daher auch Hauptberufliche, aber:
„Je billiger, desto besser. Es gibt viele Leut mit befristetem Vertrag – die trauen sich natürlich auch nicht, etwas zu sagen.“
(lb)
Titelbild: APA Picturedesk