Donnerstag, März 28, 2024

“Contact-Tracing” – System gescheitert? Teil 1

System gescheitert?

Chaos bei der Corona-Kontaktverfolgung, eine gescheiterte Corona-App, Hängen in sämtlichen Warteschleifen: Drei mit Corona infizierte Menschen, die in Wien leben, erzählen von ihren persönlichen Erfahrungen.

Wien, 16. Oktober 2020 | Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hat die Stadt Wien vor zwei Wochen dazu aufgefordert, ein rascheres Kontaktverfolgungs-Management zur Bekämpfung der Corona-Pandemie durchzusetzen. Wie steht es um das “Contact-Tracing”? Für Betroffene scheint es weniger gut zu laufen, dem System droht der Kollaps – inklusive der scheinbar für einige schwer erreichbaren 1450-Hotline. Die Corona-App war bereits vorher faktisch gescheitert, Schattenkanzlerin Mei-Pochtler & Co. sei “Dank”. Fakt ist: Das System ist ausgelastet und funktioniert nicht ausreichend.

Drei positiv auf Corona Getestete – Lisa Sonnleitner, Fabian Holzer und Michael Gruber – packen gegenüber ZackZack aus. Sie sind bei weitem nicht die einzigen, die in Ungewissheit schweben und sich trotz Infektion durch Telefon-Schleifen kämpfen müssen. Das “Contact-Tracing” haben alle drei selbst in die Hand genommen.

Scheitern beim Corona-Test und der Hotline 1450

Um überhaupt zu erfahren, ob man mit dem Corona-Virus infiziert ist, braucht es einiges an Geduld. Michael Gruber besitzt kein Auto, um in die Teststraße zu fahren und kann als symptomatisch Infizierter nicht zur “Walk-In”-Station am Happel-Stadion gehen. Bei der Corona-Hotline 1450 kam er nicht durch. Lisa Sonnleitner und Fabian Holzer bekamen indes falsche oder irreführende Informationen.

Michael Gruber: “Ich habe dann meine meine Schwester, die Ärztin ist, gefragt, wie ich bloß an einen Test komme. Das Labor Neubau macht es nicht, andere Labors sind zu Fuß von mir aus nicht erreichbar. Letztendlich bin ich beim Primärversorgungszentrum Mariahilf gewesen. Dort wurde ich positiv getestet, meine Frau und ein weiteres Familienmitglied auch.”

Lisa Sonnleitner: “Nachdem ich bei “IhrLabor” positiv gestestet wurde, habe ich sofort bei der Hotline angerufen. Ich wohne mit meinen Freund zusammen, daher sollte er auch in Quarantäne gehen. Er hat bei der Hotline nachgerfragt, ob er auch einen Test machen sollte – die Hotline sagte „Nein“.”

Michael Gruber: “Unmittelbar nach meinem positiven Test, wurde ein Freund mit einem Schnelltest positiv getestet. Er geht in Quarantäne und ruft 1450 an, um einen PCR Test zu bekommen. Es wird ihm erklärt, dass man mit seinem Fall “nichts anfangen kann”. Er entwickelt jede Menge Symptome, gemeldet hat sich bis heute niemand bei ihm.”

Fabian Holzer: “Es kennt sich einfach keiner aus und man wird immer nur weitergeleitet.”

“Rechtsfreier Raum”

Fabian Holzer: “Vor einer Woche hat man mir und meiner Verlobten gesagt, dass wir binnen 24 Stunden vom Contact-Tracing kontaktiert werden. Das ist jetzt eine Woche her, wir haben immer noch keinen Anruf erhalten.”

Fabian Holzer: “Ein Amtsarzt soll uns anscheinend kontaktieren und bestätigen, wann wir unsere Quarantäne offiziell beenden können. Bald sind die zehn Quarantäne-Tage vorbei, wir haben immer noch keinen Bescheid vom Arzt. Wir haben auch nie etwas schriftlich erhalten. Das ist alles ein rechtsfreier Raum.”

Lisa Sonnleitner: “Am 18. Oktober sollte mein letzter Tag der Quarantäne sein. Mein Freund muss laut des Contact-Tracings ab dem 18. Oktober nochmal zehn Tage in Quarantäne, weil ich ihn in den letzten Tagen natürlich infizieren könnte. Das sind andere Infos, als die Hotline mitgeteilt hat.”

Michael Gruber: “Es stand bei uns jemand vor der Tür, der sich als Mitarbeiter des Contract Tracings zu erkennen gab. Er ersuchte um Bekanntgabe unserer Telefonnummern und ging dann wieder. Wir haben eh nicht angenommen, dass die Versprechungen der Behörden und Politiker was wert sind. Wir haben Eigenverantwortung übernommen. Ich hoffe, wir haben niemanden vergessen und so unser „Cluster“ kleingehalten.”

Corona-App: Quarantäne-Tage gewürfelt?

Michael Gruber: “Ich wollte das Ergebnis in die Corona-App ablegen. Ich konnte mich identifizieren, bekam daraufhin einen TAN, den ich eingeben soll. Danach funktionierte nichts.”

Fabian Holzer: “Bei mir springt die App die ganze Zeit von rot auf grün. Teilweise werden die Tage, die ich laut App in Quarantäne muss, von Tag zu Tag mehr. Was ist da los?”

Screenshot von Fabian Holzer: Offensichtlich kann die Quarantäne auf einmal beendet werden.

Screenshot von Fabian Holzer: Die Quarantäne soll nun doch nicht beendet werden und dauert nochmal drei Tag länger.

Fabian Holzer: “Wir haben vom Magistrat eine Antwort erhalten, dass die Quarantäne für meine Verlobte seit drei Tagen vorbei ist. Und dass eine schriftliche Bestätigung in Bearbeitung ist. Merkwürdig ist nur, dass nach dieser Auskunft die Quarantäne meiner Verlobten nach sieben Tagen ab Testzeitpunkt vorbei war, ich aber gerade darüber informiert wurde, dass meine Quarantäne nach zwölf Tagen ab Testzeitpunkt vorbei sein wird. Lustig! Würfeln die das aus?”

Was läuft falsch?

Auf eine Anfrage zum überlasteten oder gar nicht funktionierenden System erklärte ein Sprecher von Stadtrat Peter Hacker gegenüber ZackZack, dass insgesamt 715 Mitarbeiter in der 1450-Hotline eingesetzt werden. Das System sei überlastet, jedoch versichterte er, dass das Warten in der Warteschleife durchschnittlich nur 17 Sekunden dauern würde.

ZackZack-Chefredakteur Thomas Walach machte am Donnerstag einen Selbstversuch. Dabei nutzte er die Wiener Corona-Teststraße am Prater aufgrund der Nachricht, dass er zwei Tage zuvor Kontakt zu einer positiv auf Covid-19 getesteten Person hatte. Die Reportage gibt es hier zu lesen und zeichnet für Verdachtsfälle ohne Symptome ein positiveres Bild als für bereits Infizierte. ZackZack bleibt jedenfalls dran.

(jz)

Titelbild: APA Picturedesk

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