Samstag, Juli 27, 2024

“Kara Tepe nicht winterfest!” – Umgeworfene Toiletten, keine Heizung

Umgeworfene Toiletten, keine Heizung

Keine Heizung, kein warmes Wasser, kein Strom. Während das offizielle Griechenland von weitgehend winterfesten Lagern spricht, widerspricht Flüchtlingshelferin Doro Blancke: “Das muss man heftig dementieren, wenn man wirklich vor Ort ist.” Kara Tepe sei ein Ort des Grauens.

Wien, 04. Februar 2021 | Die österreichische Flüchtlingshelferin Doro Blancke hat den Aussagen des griechischen Migrationsministers Notis Mitarakis, wonach das Flüchtlingslager Kara Tepe auf der griechischen Insel Lesbos mittlerweile weitgehend winterfest fest sei, vehement widersprochen. Die Menschen schliefen weiter in Sommerzelten, sagte Blancke im APA-Interview. Heizung gebe es keine, warmes Wasser nur teilweise. Die psychische Verfassung der Menschen sei kaum fassbar.

“Wir erfüllen jetzt die Anforderungen, beispielsweise was die Ausstattung mit Toiletten und Duschen betrifft. (…) Wir haben die Zelte winterfest gemacht und hoffen, dass wir den Winter gut überstehen”,

sagte Mitarakis in einem Interview mit “Zeit Online”.

Die auf Twitter kursierenden Fotos und Videos der Geflüchteten widersprechen dem jedoch ordentlich:

Ausfälle bei Stromversorgung

“Das muss man heftig dementieren, wenn man wirklich vor Ort ist”, sagte nun Blancke, die bei einer griechischen NGO auf Lesbos volontiert. Sie befindet sich seit das Flüchtlingslager Moria im September 2020 abgebrannt war mit kurzen Unterbrechungen auf der griechischen Insel. Regelmäßig könne sie in das neu aufgebaute Lager Kara Tepe hineingehen, wo sie Sachspenden – unter anderem auch aus Österreich – verteilt. So könne sie sich ein Bild von der Lage machen.

Die Zelte seien nicht verändert oder umgebaut worden, so Blancke. Es stünden immer noch die Sommerzelte der UNHCR dort. Das sehe man auch auf aktuellen Fotos aus dem Lager. Lediglich auf der Hauptstraße durch das Camp sei Schotter aufgeschüttet worden, damit man nicht mehr im nassen Lehm gehen müsse. Aber zwischen den Zelten habe sich nicht sehr viel verändert.

“Ich zeige dir die Bilder des Sturms, ich spiele dir das Geräusch des Windes, ich sage dir, dass es am schwierigsten ist, morgens aufzuwachen. Wie erkläre ich dir dieses harte Gefühl in meiner Brust? “, fragt #KaraTepe Lagerbewohner nach 2 Nächten Sturm: “Ich kann es nicht erklären.”” / Journalistin Franziska Grillmeier auf Twitter

Keine Heizung, umgeworfene Toiletten

Alles, was für uns Westeuropäer selbstverständlich ist, wie zum Beispiel Heizungen, Toiletten und Duschen sei auf den Lagern nur selten bis gar nicht vorhanden. Elektrische Kochtöpfe, Heizstrahler und Wasserkocher seien zudem wegen dem nicht belastbaren Stromnetz verboten. Für das ganze Camp gebe es zwei Generatoren. Die Stromversorgung würde immer wieder ausfallen. Kara Tepe hätte zwar vereinzelnd Duschen, diese würden jedoch nicht immer mit warmem Wasser laufen. 7500 Menschen, darunter 2500 Kinder, müssten sich die wenigen Duschen teilen. Teilweise würden die Lagerbewohner nicht einmal ein warmes Essen pro Tag bekommen.

“Also zu sagen es ist winterfest (…) ist schon sehr zynisch”,

fasst es die Flüchtlingshelferin zusammen.

Hinzu komme das Wetter: Täglich würde es regnen, auch einen Schneesturm habe es zuletzt gegeben. Blancke spricht auch von Überschwemmungen und umgeworfenen Toiletten. Bild- und Videomaterial zeigt Wasserlacken im lehmigen Boden und vom Wind herumgepeitschte Zelte. Die psychische Verfassung der Menschen sei “sehr deprimierend und kaum fassbar.”

“Kinder aufzunehmen ist unsere moralische und ethische Verpflichtung”

Für den Kinder- und Jugendsprecher der NEOS, Yannick Shetty, sind die katastrophalen Zustände auf Lesbos menschenunwürdig:

“Man muss sich mal darüber bewusst werden, wie die Kinder und Jugendlichen dort ihre Kindheit und Jugend durchleben müssen. Dass ein Land wie Österreich, welches eigentlich stolz auf seine Werte ist, nicht bereit ist, 100 Kinder aufzunehmen, ist unerträglich. Es ist die moralische und ethische Verpflichtung, Kinder aufzunehmen, das kann doch nicht zu viel verlangt sein”,

drängt Shetty gegenüber ZackZack.

Für ihn ist es unverständlich, dass die Regierung mit der ÖVP im Kanzleramt keinen Milimeter bereit ist, von ihrer Linie abzuweichen.

Im Dezember hat ZackZack einen großen, überparteilichen Aufruf mit bekannten Persönlichkeiten aus allen gesellschaftlichen Bereichen organisiert (hier zu lesen). Wir werden weiterhin auf die verheerende humanitäre Situation auf Lesbos aufmerksam machen und sowohl Bundesregierung als auch EU zum Handeln auffordern.

(jz/apa)

Titelbild: APA Picturedesk

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