Samstag, Juli 27, 2024

BMI wollte Journalist aus Gerichtssaal werfen lassen – Eklat um Nehammer-Ministerium

Eklat um Nehammer-Ministerium:

Ein Gericht wollte mögliche Rechtsverletzungen von Polizisten im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Ex-BVT-Mann Ott klären – eigentlich. Aus Angst vor Berichterstattung versuchte das BMI mehrmals bei der Richterin zu intervenieren. Den eigenen Beamten gab man einen Maulkorb.

 

Wien, 22. September 2021 | Mittwochmorgen, Verhandlung am Verwaltungsgericht Wien. Es geht um eine Beschwerde gegen Polizeibeamte. Diese sollen im Zuge einer Hausdurchsuchung bei Ex-BVT-Mann Egisto Ott dessen Frau „äußerst aggressiv und fragwürdig“ behandelt haben. So lautet jedenfalls der Vorwurf von Ott.

Angst vor Prozessberichterstattung

Die Polizeibeamten sehen das ganz anders. Sie werden von Jürgen J. aus dem Innenministerium (BMI) vertreten. Dieser macht zu Beginn den Eindruck, als wolle er den Spieß umdrehen und Ott belasten. Dabei wählt der Nehammer-Mann zweifelhafte Methoden. So zieht er die zuerst vorgeladenen unbeteiligten Zeugen, zwei Nachbarn von Ott, in Zweifel. Er unterstellt ihnen Absprachen. Das BMI gehe von einer Beeinflussung der zwei Zeugen durch den Ex-BVT-Mann bzw. seine Frau aus. Ott-Anwalt Sackmann, der J. gegenübersitzt, ruft diesem deshalb sarkastisch zu: „Die große Verschwörung“. Interessant ist die Strategie des Nehammer-Vertreters auch deshalb, weil sich die Polizeibeamten vor ihrer Ladung mit J. selbst absprechen – ein legaler Vorgang.

Dann kommt es zum ersten Eklat: Die Hausspitze des BMI sieht sich offensichtlich von einem ZackZack-Tweet brüskiert. J. verlangt deshalb den Ausschluss des einzigen Medienvertreters aus dem Gerichtssaal. Mit „Leaks“, wohlgemerkt im Rahmen einer öffentlichen Verhandlung, würde der anwesende ZackZack-Reporter die „öffentliche Ordnung gefährden“. Die Richterin will von J. wissen: „Wo sehen sie die öffentliche Ordnung gefährdet?“ Als der Nehammer-Mann den Tweet vorzeigt, entgegnet sie ihm: „Das ist halt einfach Prozessberichterstattung.“

Polizisten zum Schweigen gebracht

Auch Rechtfertigungen, angebliche Ermittlungen der BKA-Einheit AG FAMA seien durch die Medienöffentlichkeit in Gefahr, lässt die Richterin nicht gelten. Polizeibeamtin G. verstrickt sich in ihrer Zeugenaussage in Widersprüche – ZackZack tickert live über Twitter mit. Da klingelt plötzlich mitten in der Verhandlung das Telefon von J. Ein Anruf „von oben“, wie er sagt – Bitte um kurze Unterbrechung. Nach wenigen Minuten kommt der BMI-Vertreter zurück in den Saal und überrascht mit dem nächsten Versuch, die Verhandlung zu torpedieren: Es gebe eine Anweisung des BMI und des LPD Oberösterreich –  mit derselben Begründung wie zuvor, die öffentliche Ordnung sei durch ein paar Tweets zum Prozess gefährdet. Aufgrund der angeblichen Ermittlungen solle nun aber der Entzug der Amtsverschwiegenheit der Beamten aufgehoben werden. Und das, obwohl es am Mittwoch um mögliche Verfehlungen bereits abgeschlossener Ermittlungen geht.

Der Kniff mit der Amtsverschwiegenheit macht die bei der Hausdurchsuchung beteiligten Polizisten als Zeugen letztlich untauglich – und stoppt den Prozess in dem Moment, als Polizeibeamtin G. zu schwimmen beginnt. Jetzt hat das BMI eine Woche Zeit, um die Gründe für das verordnete Schweigen schriftlich darzulegen. In zwei Wochen muss das Nehammer-Ministerium dann bekanntgeben, ob man die Amtsverschwiegenheit überhaupt noch einmal aufheben und die Zeugenaussagen doch noch gewährleisten will.

„Einzigartig in der Zweiten Republik“

Ott-Anwalt Sackmann hält die Begründung des BMI indes für „fadenscheinig“. Zum Prozess-Eklat sagt er: „So etwas hat es in der Zweiten Republik noch nie gegeben. Das ist einzigartig.“ Außerdem stelle sich die Frage, was das BMI mit dieser Aktion verhindern wolle. Er könne es sich aber denken. In zwei Wochen wird er wissen, ob es nochmal zu Zeugenaussagen kommt. Die zwei Nachbarn Otts stützen jedenfalls die Sicht der Beschwerdeführerin. So sei Frau Ott laut Coach T. von „zwei Männern um die 40“ sehr heftig bei Schulter und Handgelenk festgehalten und „an die Wand gedrückt“ worden – wie es die Frau des EX-BVTlers bereits selbst auf ZackZack schilderte. Während T. zum Müllcontainer gegangen sei, seien die Hilferufe zwischenzeitlich weitergegangen, weshalb er sich entschlossen habe, bei den Beamten nachzufragen. Antwort: „Wir sind von der Kriminalpolizei, alles in Ordnung.“ Er, T., dürfe aber nichts weiter erfahren. „Irgendwas stimmt da nicht“, habe sich T. gedacht.

Ähnliches Bild bei Zeugin M: Diese habe zunächst die Hilfeschreie von ihrer Wohnung aus gehört. Das habe „nicht aufgehört“, deshalb sei sie „hin“. Hin, das heißt runter in den Hof, wo Frau Ott offenbar mindestens eine halbe Stunde festgehalten wird. Unten angekommen, habe M. zunächst nicht den Eindruck gehabt, wahrgenommen zu werden. Sie habe ihrer Nachbarin helfen wollen, doch sei das zunächst nicht möglich gewesen. Weil sie die Szenen filmen wollte, hätten die Beamten M. eingeschüchtert. Dem Vorwurf der Polizisten, Frau Ott sei so hysterisch gewesen (und nur deshalb festgehalten worden), hält M. entgegen: „Das ist nicht hysterisch, sondern eine normale Reaktion.“

Sowohl BMI als auch LPD OÖ wollten bislang keine Stellungnahme zu den Vorkommnissen abgeben.

(wb)

Hier geht es zum Video: „Ich habe fertig“ – Ex-BVT-Mann Egisto Ott packt aus. Auch „Standard“, ORF oder die Plattform „FoB“ berichteten bereits über die Causa.

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

79 Kommentare

79 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!