BMI-Chats 3:
Seit die ÖVP das Innenministerium kontrolliert, gibt es zwei Arten von Polizisten: die mit und die ohne ÖVP-Parteibuch. Die „mit“ machen Karriere. Die „ohne“ knöpft sich das Kabinett von Innenminister Sobotka vor.
Wien, 25. Jänner 2022 | Unter Innenminister Ernst Strasser begann der damalige Personalchef im BMI, Michael Kloibmüller, die Polizei schwarz einzufärben. Die „Strasser-Mails“ sorgten 2008 für einen Skandal. Geleakte Nachrichten zwischen Strasser und Kloibmüller zeigten, dass für eine Beförderung in der Polizei nur noch eines zählte: Ein ÖVP-Parteibuch. Die Interventionen des Ministeriums reichten bis zur Ebene von Polizeiposten hinab.
Kloibmüller war in Sachen Parteidisziplin sogar strenger als der damalige niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll. „Der von pröll angesprochene kandidat ist nicht unserer!!!! (…) man sollte LH (Landeshauptmann, Anm.) von weiterem Engagement abraten.“, hieß es etwa in einem Mail Kloibmüllers.
Minister Strasser ging 2009 als Spitzenkandidat der ÖVP ins EU-Parlament. Dort stolperte er über eine Investigativrecherche der „Sunday Times“ und wurde wegen Bestechlichkeit verurteilt.
Kloibmüller blieb im Innenministerium. Insidern zufolge erfüllte er dort eine ähnliche Rolle, wie sie in der Justiz Christian Pilnacek zugeschrieben wurde: Minister kommen und gehen, „Kloiberl“ bleibt. Seinen Kurs zur Einfärbung der Polizei setzte Kloibmüller nicht nur fort, sondern intensivierte ihn: Die Chats, die er als Kabinettschef schrieb, lassen die „Strasser-Mails“ blass aussehen. Obwohl Postenbesetzungen nicht zum Aufgabenbereich eines Kabinettschef gehören, war es Kloibmüller, der regelmäßig den Daumen über einem Kandidaten hob oder senkte. Kriterium: Die richtige Parteifarbe.
„Mit voller Kraft“ für Rache
2016: Georg Angerer ist ÖVP-Politiker in Salzburg und Polizist. Seit Jahren weisen SPÖ-nahe Polizisten auf die unzulässige Vermischung von Polizei und politischem Amt in Salzburg hin.
Als Angerer am 01. November zum Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT) befördert wird, wird der Druck zu groß. Ein aktiver Politiker als LVT-Chef, das geht sich nicht aus. Angerer muss seine Mandate und Parteifunktionen zurücklegen. Darüber beklagt er sich bitterlich – beim Kabinettschef im Ministerium, Michael Kloibmüller: Lb. Michi, in 2 Std. bin ich politisch karenziert; es schmerzt! Vielleicht auch deshalb, da die aktuelle Polizei News der FSG (Fraktion Sozialdemokratischer GewerkschafterInnen, Anm.) Sbg. mE eine bodenlose Frechheit ist! (…) ! In Verbundenheit und Dankbarkeit, Georg
Doch Kloibmüller tröstet Angerer mit der Aussicht auf Rache: Kopf hoch. Merk dir die arschlocher u wir knöpfen sie uns einzeln vor ??.
LVT-Chef Angerer ist Feuer und Flamme: Dafür kämpfe ich nachhaltig mit voller Kraft! ??
Ich weiss, antwortet Kloibmüller.
Wir haben betroffene Beamte mit den Chats konfrontiert; sie möchten dazu lieber nicht zitiert werden. Angerer antwortet auf unsere Anfrage nicht.
Die „Hallein-Connection“
Angerer stammt wie der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, SOKO-Ibiza-Leiter und jetziger Kripo-Chef Andreas Holzer, und sein Vorgänger und BMI-Generalsekretär Franz Lang vom Polizeiposten der Salzburger Kleinstadt Hallein. Unter Lang wird im BMI hastig die SOKO-Ibiza aufgestellt, Holzer zu ihrem Chef gemacht. Innerhalb der Polizei ist diese Seilschaft als „Hallein-Connection“ bekannt.
Franz Ruf, damals noch Landespolizeidirektor von Salzburg, wird 2020 von Innenminister Karl Nehammer beauftragt, die Reform des BVT zu leiten. Im März 2016 erteilt Kabinettschef Kloibmüller dem Chef der Salzburger Polizei einen Rüffel. Ruf hat einen Polizisten befördert, der nicht zur ÖVP gehört.
Kloibmüller: Lieber franz! Die ERNENNUNG K. mit A1 geht mir gegen den strich. Warum müssen wir den machen? Haben wir keine eigenen Leute? LG m
Es geht um die Leitung des Strafamts in Salzburg. Dessen Leiter Hermann Winkler war suspendiert worden. Die Suspendierung wurde später aufgehoben, eine Anklage gegen Winkler wegen Amtsmissbrauchs endete mit Freispruch. Winkler ging in Pension, ein Nachfolger wurde gebraucht.
Die Stelle geht an jenen Polizisten, der das von Winkler hinterlassene Chaos saniert habe, wie Ruf schreibt. Aber dieser Polizist ist SPÖ-Mitglied, war kurzzeitig sogar SPÖ-Bürgermeister in einer Salzburger Kleinstadt. Ruf verteidigt sich. Er habe alles versucht, doch es fand sich einfach kein ÖVP-Kandidat, der den Job wollte. Mit K. habe er immerhin noch Schlimmeres verhindert. mehr war leider aus meiner sicht nicht möglich. ruf dich am nm an. lg franz
ÖVP-„Wertegemeinschaft“ an den Polizeischulen
Schon die Polizeischüler sollen an die ÖVP gebunden werden. Beamter G. wendet sich im März 2016 mit der Bitte an Kloibmüller, nicht auf passende Posten an den Polizeischulen zu vergessen: BITTE nicht aus den Augen verlieren. 1x E2a/7 als offizieller Stv. ist sinnvoll und im Sinne unserer Wertegemeinschaft auf Jahre hinaus abgesichert. DANK DIR.
Knapp drei Monate später steht eine Entscheidung bevor. G. an Kloibmüller: Lieber Michael! Lt. (…) dürft heut ein Gespräch bzgl. Mentor Stv Funktion in den Bildungszentren stattgefunden haben. Morgen angeblich näheres.
BITTE schau, dass das so umgesetzt wird!!!!!!!
Der „liebe Michael“ erfüllt G. im Sinne ihrer Wertegemeinschaft seinen Wunsch. Eine Woche später bedankt sich G.: Lieber Michael! Nochmals DANKE – du bist a Wahnsinn! ??????
„Wir machen das in Wien“
Kloibmüller koordiniert Besetzungswünsche auch mit der Politik. Im Jänner 2016 wendet sich der damalige ÖVP-Sicherheitssprecher und heutige Volksanwalt Werner Amon an Kloibmüller. Es geht um eine Postenbesetzung in der Steiermark. Für den Fall, dass blaue und rote Gewerkschafter und Personalvertreter versuchen würden, einen ÖVP-Kandidaten zu verhindern, werde man die Sache im Ministerium lösen, erklärt Kloibmüller: Z. ist dienstgebervorschlag u wird von fcg (Fraktion Christlicher Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter, Anm.) getragen. Sollten auf (Aktionsgemeinschaft Unabhängiger und Freiheitlicher, Anm.) u fsg nicht schon in der stmk ja sagen machen wir das in wien. LG m
Amon ist beruhigt: Danke Dir für die Info. Freue mich sehr. GlG Werner
Formal werden höhere Posten in der Polizei durch Kommissionen besetzt, in denen Dienstgeber- und Dienstnehmervertreter sitzen. Doch Eingeweihte erzählen: Die Kommissionen seien eine Farce, das Ministerium bekomme praktisch immer die gewünschten Kandidaten. Kloibmüllers Nachricht an Amon verdeutlicht das: Falls die Dienstnehmervertreter einen ÖVP-Kandidaten ablehnen, machen wir das in wien.
Volksanwalt Amon sagt auf Zackzack-Anfrage, er könne sich nicht mehr an die Vorkommnisse erinnern. Da er die Echtheit der Chats nicht prüfen könne, wolle er dazu nicht Stellung nehmen.
Nachrichten dieser Art finden sich zuhauf im Material, das ZackZack seit Monaten auswertet. Die Umfärbung der Polizei durch Kloibmüller läuft ebenso systematisch wie routiniert. Manchmal reichen schon wenige Worte. Etwa, als der niederösterreichische Polizeioberst K. von Kloibmüller wissen will: Frage: Ernst F. – schwarz oder rot? Kloibmüller braucht für die Antwort eine knappe Stunde: Schwarz. Diesmal ist alles in Ordnung.
Kloibmüller möchte auf Anfrage wie gewohnt keine Stellungnahme abgeben.
(pp/tw/wb)
Hier gehts zu Teil 1 und Teil 2 der BMI-Chats.
Titelbild: APA Picturedesk