Im Jänner 2017 startet ÖVP-Generalsekretär Werner Amon die „Silberstein“-Kampagne. Die BMI-Chats stärken den Verdacht, dass die Munition für die Kampagne gegen Bundeskanzler Christian Kern aus dem Kabinett von Innenminister Sobotka kam.
Wien, 12. Februar 2022 | ZackZack deckte bereits auf, dass Finanzmarktaufsichtschef Eduard Müller (damals BMF-Sektionschef) Finanzinformationen über Tal Silberstein sammeln sollte. Das geht aus den Schmid-Chats hervor. Jetzt führt die Spur der Affäre über die BMI-Chats direkt ins Kabinett von Wolfgang Sobotka.
Am 14. Jänner 2017 lehnt sich ÖVP-Generalsekretär Werner Amon weit aus dem Fenster. Er behauptet, dass es einen rumänischen Haftbefehl gegen Tal Silberstein gäbe. In einer parlamentarischen Anfrage bezieht er sich auf einen Bericht der FPÖ-nahen Plattform „unzensuriert.at“. Nach ersten Dementis legt Amon in der Zeitung „Die Presse“ nach: „Mittlerweile liegen mir aber gesicherte Informationen vor, dass es diesen Haftbefehl tatsächlich gibt“.
Vorwürfe ohne Beleg
Amon hat im Jänner 2017 eine Quelle, aber weigert sich, sie zu nennen: „Ich verlasse mich auf meine Quelle, laut der seit Dezember 2016 ein rumänischer Haftbefehl gegen Tal Silberstein wegen des Verdachts der Korruption, Geldwäsche und organisierten Kriminalität vorliegt. Ob sich die Informationen auf den laufenden Prozess des Herrn Silberstein oder auf weitergehende Delikte in Rumänien beziehen, entzieht sich zum jetzigen Zeitpunkt meiner Kenntnis.”
Der ÖVP-Generalsekretär zielt auf die SPÖ: man habe die Wahlkampf-Methoden des Herrn Silberstein kennengelernt und lehne diesen Stil ab. Die ÖVP sei in Sorge, „dass sich die SPÖ wieder mit einem derartigen Berater umgibt, dessen Spezialgebiet das ‚Negative Campaigning‘ ist. Ein solcher Kampagnenstil hat in der österreichischen Innenpolitik nichts verloren. Wir erwarten uns eine Ehrenerklärung des SPÖ-Vorsitzenden, dass das nicht stattfinden wird.“
„News“, „Standard“ und andere Medien recherchieren – und finden nichts. Es gibt zwar ein Verfahren, aber von einem Haftbefehl ist zu diesem Zeitpunkt nichts bekannt. Amon bleibt dabei: „Ich verlasse mich auf meine Quelle.“ Die BMI-Chats legen nahe, wer die Quelle war: das Kabinett von Innenminister Wolfgang Sobotka.
„Sorry, ist dringend“
Am selben Tag, an dem Amons Aktion nach hinten loszugehen droht, wendet er sich an Sobotka-Kabinettschef Michael Kloibmüller: Kannst Du mir nochmals die Delikte betreffend des HB für T. S. sagen? LG W. „HB“ ist der Haftbefehl“, „T.S.“ Tal Silberstein. Kloibmüller antwortet vier Minuten später: Ja i meld mich. Amon hat es eilig: Sorry, ist dringend.
Am Morgen des 15. Jänner, also nur einen Tag später, weiß Amon, dass er ein Problem hat. Er wendet sich wieder an Kloibmüller: News.at behauptet es gibt keinen Haftbefehl in Rumänien….wie klären wir das? Der Kabinettschef weiß offenbar, dass er die Information, die Amon erhalten hat, nicht öffentlich bestätigen darf: Schwierig. Weil wir nichts sagen dürfen. Amon fragt weiter: Vor Gericht schon, oder? Sollte ich geklagt werden… Kloibmüller versucht, Amon zu beruhigen: Da schon. Ich bekomme es wahrscheinlich auch schriftlich.
(Faksimile ZackZack)
Offenbar hat Amon die vertrauliche Information aus dem Kabinett nur mündlich bekommen. Kabinettschef Kloibmüller wartet noch auf eine schriftliche Bestätigung. Amon schließt: Danke Dir!
Heute will Amon nichts mehr davon wissen. Gegenüber ZackZack betont der Volksanwalt, er könne die an ihn gestellte Anfrage nicht beantworten, da ihm weder die vollständige Kommunikation mit Kloibmüller noch seine eigene Presseaussendung vorliege. Kloibmüller wiederum möchte festhalten, “dass ich Werner Amon weder schriftlich noch mündlich über das Vorliegen eines Haftbefehls Tal Silberstein betreffend informiert habe”.
„Tal Silberstein – Ok“
Amon und Kloibmüller kümmern sich schon weit früher um Silberstein. Der jetzige Volksanwalt der ÖVP hat sich demnach schon 2016, also ein Jahr vor der Wahl, an Kloibmüller gewandt, um BMI-Informationen über Silberstein zu erhalten. Kloibmüller braucht von Amon am 31. Oktober 2016 den exakten Namen: Bitte lass mir den Namen richtig geschrieben zukommen. Bin nicht im Büro. LG m. Amon antwortet: Tal Silberstein. Das Ok von Kloibmüller signalisiert, dass man in Sobotkas Kabinett zu wissen scheint, was zu tun ist.
(Faksimile ZackZack)
Zweieinhalb Monate später startet die erste Aktion „Silberstein“. Ziel ist SPÖ-Bundeskanzler Christian Kern, ÖVP-General Amon visiert es an, und Innenminister Sobotkas Kabinett liefert den Chats zufolge die Munition.
(pp/wb)
Titelbild: APA Picturedesk