Die Anordnung der WKStA
Ex-ÖVP-Ministerin Karmasin wurde am Mittwoch festgenommen. Warum, das steht in der Festnahmeanordnung der WKStA, die ZackZack vorliegt. Es geht auch um neue Vorwürfe gegen Karmasin:
Wien, 03. März 2022 | Wie zuerst der “Standard” berichtet, wurde Ex-ÖVP-Familienministerin Sophie Karmasin am Mittwoch auf Anordnung der Wirtschafts- und Korruptionsstaatanwaltschaft (WKStA) festgenommen.
ZackZack liegt nun die Festnahmeanordnung der WKStA vor. Auf 44 Seiten begründen die Ermittler detailliert, warum sie Sophie Karmasin in Haft nehmen ließen.
Eine ehemalige Mitarbeiterin Karmasins, Sabine Beinschab, soll die Republik geschädigt haben, indem sie zusammen mit dem BMF-Mitarbeiter Johannes Pasquali – Leiter der Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit – Scheinaufträge durchgeführt hat. Der Tatverdacht heißt Untreue. Diese Umfragen und Studien dienten laut WKStA “ausschließlich parteipolitische motivierten und für das (partei-)politische Fortkommen von Sebastian Kurz und der Gruppe seiner engsten Vertrauten in der ÖVP Bundespartei”.
Bezahlt wurden die berühmten Beinschab-Studien allerdings mutmaßlich mit Steuergeld, nämlich mit Mittlen des BMF. Für die Schreinrechnungen soll Pasquali verantwortlich sein. 13 solcher Studien listete die WKStA in ihrer Anordnung auf.
20 Prozent für Karmasin
Karmasin soll für alle Studien, die Sabine Beinschab offiziell für das BMF durchführte eine Vermittlungsprovision erhalten (wie ZackZack bereits berichtete). “BEINSCHAB, MA, MBA und MMag. Dr. KARMASIN hatten vereinbart, dass MMag. Dr. KARMASIN für die Vermittlung der vom BMF bei BEINSCHAB, MA, MBA in Auftrag gegebenen Studien und Umfragen 20 % ihres Umsatzes an MMag. Dr. KARMASIN als ‘Vermittlungshonorar’ abführen musste”, schreibt die WKStA.
Veröffentlicht wurden die Studien – unter Mitarbeit von Karmasin – in Wolfgang Fellners Österreich-Mediengruppe. Fellner soll dafür Inseratenaufträge der Regierung erhalten haben, wieder auf Kosten der Steuerzahler.
Eingefädelt haben das laut WKStA Fellner, Karmasin und Thomas Schmid. Er und Ex-Kanzler Sebastian Kurz werden beschuldigt, die anderen zur Untreue angestiftet zu haben. Sie werden also als Bestimmungstäter geführt. Als Beitragstäter wird außerdem ÖVP-Chefstratege Stefan Steiner geführt.
Die Brüder Helmut und Wolfgang Fellner werden beschuldigt, Amtsträger der Republik, nämlich Schmid und Pasquali, bestochen zu haben. Wie? Bestechen kann man nicht nur mit Geld, sondern auch mit Vorteilen. Die Fellners sollen Schmid und Pasquali mit positiver Berichterstattung über Sebastian Kurz bestochen haben. Im Gegenzug sollten ihre Medien Regierungsinserate erhalten.
Konsequenterweise ermittelt die WKStA also gegen Schmid und Pasquali wegen Bestechlichkeit. Anstifter: Sebastian Kurz. Beitragstäter: Stefan Steiner, Kurz’ Medienbeauftragter Gerald Fleischmann und sein Pressesprecher Johannes Frischmann, Sabine Beinschab und Sophie Karmasin.
Geldwäsche
Das Geld aus den Deals wusch Karmasin laut WKStA, indem sie über die Firma ihre Mannes Scheinrechnungen legte. Der Vorwurf der Ermittler lautet auf Geldwäsche.
Außerdem werden Karmasin Preisabsprachen bei Umfragen vorgeworfen. Beinschab und eine weitere Umfragesprezialistin, G., legten laut WKStA Scheinangebote an Sportministerium. Die lagen – wie zuvor abgesprochen – höher als die Karmasins, so dass sie den Zuschlag bekommen konnte.
Gegen die ÖVP-Bundespartei und gegen die Mediengruppe “Österreich” ermittelt die WKStA im Rahmen der Verbandsverantwortung.
Die WKStA erhärtet ihre Vorwürfe durch Zahlungsflüsse “und die detaillierten Aussagen von BEINSCHAB, MA, MBA”. Beinschab hat laut Festnahmeanordnung auch ausführliche Kommunikation, insbesondere E-Mails, vorgelegt, mit denen die Ermittler ihre Vorwürfe untermauern.
Warum aber wollte die WKStA, dass Karmasin verhaftet wird? Die Ermittler argumentieren mit Verdunklungsgefahr. Karmasin würde auf freiem Fuß versuchen, “Mitbeschuldigte und Zeugen zu beeinflussen, die Spuren der Tat zu beseitigen oder sonst die Ermittlung der Wahrheit zu erschweren.”
Die WKStA hält Karmasin für “Urheberin” und “wesentliche Ideengeberin” des sogenannten “Beinschab-Tools”. Die Tathandlungen sollen bis in den Sommer 2021 reichen. Da Karmasin weiterhin als Meinungsforschungerin tätig ist, bestehe Tatbegehungsgefahr.
Dabei sei zur berücksichtigen, “dass die Beschuldigte wie sich aus dem Akt, aber auch aus ihrer früheren Tätigkeit als Ministerin ergibt, ausgezeichnet vernetzt ist und die Abläufe im öffentlichen Bereich und mögliche ‘Schwachstellen’ sehr gut kennt.” Die Ermittler befürchten, dass Karmasin ihren Einfluss nutzen könnte, um “weitere Straftaten” zu begehen.
Karmasin drohen bis zu zehn Jahre Haft. Am 28. Februar unterschrieb die zuständige Oberstaatsanwältin die Festnahmeanordnung. Der Richter bewilligte sie am Mittwoch. Es gilt die Unschuldsvermutung.
(tw)
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