Samstag, Juli 27, 2024

Teil 5: Nehammerloo

Am 13. März 2022 war es noch eine „besoffene Geschichte“. Durch Fake News haben Innenministerium und Bundeskanzler drei Wochen später daraus eine Staatsaffäre gemacht.

Am Sonntag, dem 13. März 2022, hatten die Cobra-Beamten Peter S. und Stefan F. offensichtlich nur eine Aufgabe: Kathi Nehammer am späten Nachmittag von der Kanzlerwohnung in Wien-Hietzing zum Heurigen zu begleiten. Aber Frau Nehammer ging – nach der letzten Familien-Version – ohne Personenschutz. Der einzige geplante Cobra-Personenschutzeinsatz bei Frau Nehammer fand an diesem Sonntag nicht statt. Was war der Grund? Als sich Frau Nehammer auf den Weg machen wollte – waren da die beiden Polizisten bereits so schwer betrunken, dass sie dienstunfähig waren?

Frage 1: Personenschutz ohne Personenschutz?

Alles begann am Morgen des 13. März. Warum sind die Cobra-Beamten für einen Personenschutz am späten Nachmittag bereits um 7.15 Uhr vom Cobra-Stützpunkt in Wiener Neustadt losgefahren? Warum sind sie bereits am Vormittag in die Nehammer-Wohnung gekommen? Darauf gibt der Cobra-Beamte, der mit seinem anonymen Brief an uns und an die SPÖ die Affäre ins Rollen gebracht hat, eine Antwort: Ich habe mit einem der betreffenden Beamten nach dem Vorfall ein kurzes Gespräch gehabt. Ich fragte ihn, ob sie nur zum “Saufen” zu ihr gefahren wären? Seine Antwort darauf war: Ja quasi!“

Frage 2: Spin statt Aufklärung?

Die Personenschützer sind Kathi Nehammer nicht von Thomas P., dem Leiter des Referats „Personenschutz“, zugeteilt worden. Frau Nehammer hat sie aus einem „Pool“ persönlich ausgesucht.

Bis zum Unfall war das Personenschutz-Trinken in der Kanzlerwohnung nicht mehr als ein gemütliches Beisammensein. Nach dem Unfall war sofort klar, dass etwas schiefgegangen war. Zwei Wochen hatten Innenminister Karners Beamte alles unter Kontrolle. In den letzten Märztagen erhielten wir bei ZackZack die ersten Hinweise und begannen Fragen zu stellen. Damit war klar: Aussitzen geht nicht.

In Wien und Wiener Neustadt stand man vor der Wahl: warten, was kommt – oder der Geschichte sofort den eigenen Spin geben. Am 31. März fiel die Entscheidung, den vorbeugenden Angriff über Kronenzeitung und Kurier zu versuchen. Die Unfall-Geschichte musste in die Schuhe der Cobra-Beamten und möglichst weit weg von der Wohnung der Nehammers geschoben werden. Die Entscheidung, die Zeitungen gezielt falsch zu informieren, ist inzwischen zum Boomerang geworden.

Frage 3: Bier, Wein, Stamperln – und was noch?

Von Anfang an verbreitete Cobra-Chef und ÖVP-Gemeinderat Bernhard Treibenreif gemeinsam mit Oberst Markus Haindl, dem Pressesprecher des Innenministers, Falschmeldungen. Die Salzburger Nachrichten fassten zusammen: Laut Darstellung des Innenministeriums begaben sich die beiden Personenschützer nach der Arbeit in ein Lokal und konsumierten in sehr kurzer Zeit große Mengen Alkohol. Heute wissen wir: Das stimmt nicht.

Bier für Bier, Spritzer für Spritzer und Stamperl für Stamperl wächst seit vorgestern die Liste der alkoholischen Getränke, die Peter S. und Stefan F. in der Nehammer-Wohnung konsumiert haben. Die Geschichte vom Cobra-Beisl, in dem nach Dienstschluss weit weg von den Nehammers vollgetankt wurde, ist von den Fakten eingeholt worden. Die Spitzen von Innenministerium und Cobra haben politischen Personenschutz für die Nehammers organisiert – und dazu die Öffentlichkeit mit Fake News in die Irre geführt.

Frage 4: Vertuschung über das Dienstende?

Aber das Verschweigen der Nehammer-Drinks war nicht der erste Versuch, die Affäre zu vertuschen. Um 17.30 Uhr endete die kurze Heimfahrt der betrunkenen Cobra-Männer in geparkten Fahrzeugen vor der Nehammer-Wohnung. 1,2 Promille, Dienstwagen, Unfall – und das in der Dienstzeit? In Wien und Wiener Neustadt war schnell klar, dass da nur eines half: Der Dienstschluss musste vorverlegt werden. 7.00 bis 19.00 Uhr ist die Regeldienstzeit der Cobra-Personenschützer. Dienstschluss beim Einsatz bei Zielpersonen ist erst dann, wenn der Dienstwagen an der Dienststelle in Wiener Neustadt abgestellt ist. Aber diesmal war alles anders. Um 16.00 Uhr war im Nachhinein Schluss mit Dienst und 0,0 Promille-Grenze.

Der Dienstschluss-Schwindel hielt bis zur ZackZack-Geschichte am 6. April. Dann war klar: Als die Beamten zum Cobra-Audi torkelten, waren sie im Dienst. Der Rausch war ein Dienstrausch. Eine Falschmeldung war geplatzt. Bald danach wurden die ersten zwei Bier zugegeben.

Frage 5: Sind die Protokolle umgeschrieben worden?

Die stückweise Korrektur der Geschichte führt zur nächsten Frage. Das Protokoll über den Unfall wurde noch auf der Hietzinger Polizeiinspektion erstellt. Aber das entscheidende Protokoll entstand am nächsten Tag in Wiener Neustadt in der DSE – der Direktion Sondereinheiten, dem Dach der Cobra. Dort wurden ´Jung-Offiziere´ der DSE vom Direktor der DSE angewiesen, den Vorfall so zu protokollieren, dass dieser außerhalb der Dienstzeit geschehen sei – das Dienstende also offiziell vorzuverlegen.“ Mit dem Dienstende wurde auch der Alkohol verlegt, weg in ein „Lokal“. Das berichtet der anonyme Cobra-Beamte, dessen detaillierte Angaben bis jetzt alle gestimmt und viel zur Aufklärung beigetragen haben.

Innenministerium und Cobra-Leitung haben ihre Darstellung mehrmals geändert. Ist da jedes Mal das Protokoll mit geändert worden? Hat ÖVP-Mann und Cobra-Chef Bernhard Treibenreif selbst Protokoll gemacht? Und gilt nach wie vor das Protokoll, das man noch unbeachtet von der Öffentlichkeit Mitte März verfassen hat lassen?

Frage 6: Wo war der dritte Mann?

Am Weg zur Kanzlerwohnung setzten Peter S. und Stefan F. einen dritten Cobra-Beamten als Reserve in Wien ab. Kurz nach dem Unfall soll sich der Leiter des Cobra-Personenschutzreferats bei dem Beamten gemeldet und ihn gefragt haben, was er über den Vorfall wisse. Der Cobra-Reservist machte sich auf den Weg und war kurz darauf am Unfallort. Wie seine beiden Kollegen war er bis zum Schluss im Dienst.

In den Berichten kommt der dritte Mann bisher nicht vor. Was hat er wahrgenommen?

Frage 7: Sicherheit gefährdet?

Am 4. April wurde der Druck zu groß. Ein Ausfluchtversuch nach dem anderen war geplatzt. ZackZack hatte in der Früh die erste Geschichte über die Affäre „Nehammer“ gebracht. SPÖ-Sicherheitssprecher Reinhold Einwallner hatte den Bericht des anonymen Cobra-Beamten an die Spitze seiner Anfrage gestellt. Karl Nehammer entschied sich für die Flucht nach vorne. Der Plan war einfach: Durch die Enthüllungen sei die Sicherheit seiner Kinder gefährdet. Es gehe um Kinder. Eine rote Linie sei überschritten worden.

Der Fluchtversuch mit den eigenen Kindern misslang. Mit seinem Auftritt hatte der Kanzler zögernden Journalisten grünes Licht gegeben. Die Affäre „Cobra Libre“ hatte den Amtsstempel des Kanzlers.

Die Fragen waren damit offiziell auf dem Kanzlertisch: Wer hat die Beamten alkoholisiert? Wer hat verabsäumt, sie am betrunkenen Fahren zu hindern? Wer hat versucht, die Affäre zu vertuschen?

Frage 8: Welche Roten Linien sind überschritten worden?

Karl und Kathi Nehammer haben gemeinsam mit Spitzen des Innenministeriums einige rote Linien überschritten. Karl Nehammer muss frühzeitig gewusst haben, was passiert ist und was vertuscht wird. Ob der Kanzler persönlich in die Vertuschung verwickelt ist, muss noch geklärt werden. Eines hat Familie Nehammer jedenfalls gezeigt: Auch beim Personenschutz können sie nicht zwischen „amtlich“ und „privat“ unterscheiden.

Karl Nehammer hat als Bundeskanzler ohne Not aus einer besoffenen Geschichte eine Staatsaffäre gemacht. Jetzt droht Cobra Libre zum Nehammerloo zu werden.

Am 26. November 2020 war Karl Nehammer noch sehr stolz. “Als Innenminister und für die Sicherheit der Menschen in Österreich Verantwortlicher bin ich stolz auf die Beamtinnen und Beamten der EKO COBRA, die in den schwierigsten und gefährlichsten Situationen Unglaubliches leisten, um ihre Mitmenschen zu schützen”. In Kanzlerwohnung und DSE-Zentrale, beim Trinken und beim Vertuschen haben sich Nehammers Leute an der Spitze von Innenministerium und Cobra Unglaubliches geleistet.

Dank

Frau Nehammer hat zwei Kanus und drei Handys versenkt. Sie hat uns die BMI-Chats und die Cobra Libre-Affäre beschert. In den Worten von Sobotkas Kabinettschef Kloibmüller zeigt sie der ÖVP, “wo der Hammer hängt”. Wir sollten ihr aufrichtig danken.

Titelbild: Christopher Glanzl

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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