Das ist eine Unterüberschrift
Gesundheitsminister Lauterbach will bereits im Herbst einen Gesetzesentwurf zur Legalisierung von Cannabis vorlegen. Doch bis sich nächstes Jahr ein milliardenschwerer neuer Markt bei unseren Nachbarn auftut, sind noch einige Fragen zu klären.
Berlin, 12. Mai 2022 | Bereits im November ebnete die deutsche Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen in ihrem Koalitionsvertrag den Weg hin zu einer legalen Abgabe von Cannabis. Ein entsprechendes Gesetz zur “kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften”, so der genaue Wortlaut im Vertrag, soll nun schneller kommen als erwartet.
Lauterbach will schon im Herbst Entwurf vorlegen
„Ich werde die Gesetzesinitiative zur Cannabis-Legalisierung starten“, kündigte Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), der seine ursprünglich ablehnende Position geändert hat, letzte Woche an. Entsprechende Fachgespräche sollen im Sommer geführt werden, ein Gesetzesentwurf soll dann in der zweiten Jahreshälfte folgen. Erstere sollen in enger Abstimmung mit Deutschlands Drogenbeauftragtem Burkhard Blienert (SPD) erfolgen. “Kaum ein anderes drogenpolitisches Thema beschäftigt die Menschen seit Jahrzehnten so sehr wie Cannabis“, sagte Blienert. “Wir alle wissen, wie komplex dieses Vorhaben ist.”
Eine kontrollierte Abgabe sei “überfällig”, meinte Blienert in einem Interview mit dem Portal “Legal Tribune Online” im März: “Um die Menschen vor gesundheitlichen Schäden und unnötiger Strafverfolgung zu schützen.”
Finanzminister verspricht: Bubatz “bald” legal
Auch FDP-Finanzminister Christian Lindner machte vielen Konsumenten Hoffnung. Auf Twitter verspricht er, dass die Legalisierung “bald” erfolgen solle. Seinen Tweet beginnt er mit der ungewöhnlichen Frage “Wann Bubatz legal?”, eine Frage, die ihm zuletzt immer öfter gestellt würde. Bei Bubatz handelt es sich um einen deutschen Kunstbegriff für einen Joint.
Eine Frage, die mir viele immer wieder stellen: „Wann Bubatz legal?“. Ich würde sagen: Bald. 🥦 CL https://t.co/42GMJ5UKla
— Christian Lindner (@c_lindner) May 6, 2022
In diesselbe Kerbe schlägt Justizminister Marco Buschmann (ebenfalls FDP), der gegenüber der WAZ am Rande einer Wahlkampfveranstaltung sogar eine Umsetzung des Gesetzes bis Frühjahr 2023 in Aussicht gestellt hat. “Realistisch ist es möglich, das Gesetz bis Frühjahr 2023 umzusetzen, wir versuchen das sogar, eher hinzubekommen. Normalerweise dauert ein solches Gesetz sechs bis neun Monate, das möchten wir schneller schaffen.”
Die Legalisierung von #Cannabis kommt.
Noch 2022 will Karl Lauterbach einen Gesetzentwurf vorlegen. Es ist realistisch möglich, das Gesetz bis Frühjahr 2023 umzusetzen. Wir versuchen sogar, es früher zu schaffen: Normalerweise dauert ein solches Gesetz sechs bis neun Monate.— Marco Buschmann (@MarcoBuschmann) May 9, 2022
Viele Fragen offen
Bis zum Herbst solle daher jetzt mit führenden Experten über die relevantesten Fragen zum Gesundheitsschutz, zu Anbau, Lieferketten und zur Besteuerung diskutiert werden. Auch Länder, Kommunen, Verbände, Wissenschaft und die Zivilgesellschaft sollen in die Vorbereitungen eingebunden werden.
Klar scheint zum jetzigen Zeitpunkt nur, wer künftig Cannabis erwerben und konsumieren darf. Im Koalitionsvertrag ist von der „kontrollierten Abgabe“ an Erwachsene die Rede. Es darf also nur an Personen ab 18 Jahren verkauft werden. Wie viel Gramm Verbraucher maximal erwerben dürfen, steht aber noch in den Sternen. Ebenso unklar ist die Antwort auf die Frage, wer Cannabis im Falle einer Legalisierung anbauen und verkaufen darf.
Die Abgabe soll laut Vertrag jedenfalls in “lizenzierten Geschäften” erfolgen. Als eine dieser Verkaufsstellen wurden bisher immer wieder Apotheken genannt. In der Theorie bieten sie gute Voraussetzungen für den Verkauf, vor allem da mit Pharmazeuten fachkundiges Personal, das auf Risiken hinweisen könnte, bereits vorhanden wäre. Auch Kioskbetreiber wittern das Geschäft und brachten sich als mögliche Verkaufstelle ins Gespräch. Einen Verkauf in „Coffeeshops“, die sich vor allem in den Niederlanden großer Beliebtheit erfreuen und für einen regelrechten Kiffer-Tourismus sorgen, scheint in Deutschland eher unwahrscheinlich. Man wolle im Gegensatz zu den Niederlanden eine “legale, klar regulierte Lieferkette gewährleisten”, so Blienert gegenüber “Legal Tribune Online”.
FDP: Cannabis könnte 1,3 Milliarden jährlich bringen
Entscheidend bei der Freigabe ist laut Experten auch der Preis. Will die Bundesregierung den illegalen Handel einschränken, sollte demnach der Preis pro Gramm nah an die Schwarzmarktgrenze herankommen. Andererseits dürfte er auch nicht niedriger sein. Man wolle den Konsum nicht beflügeln, das sei schließlich nicht das Ziel einer Legalisierung.
Neben den Cannabis-Startups und -Unternehmen, die bereits in den Startlöchern stehen, um sich in diesem neuen Markt zu positionieren, wird auch der deutsche Staat von der Cannabis-Legalisierung profitieren. Der Medizin-Professor und FDP-Politiker Andrew Ullmann schätzte im Oktober 2021 die Steuereinnahmen durch Cannabis auf circa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr. Für ihn ein möglicher Weg, um auch die großen Corona-Haushaltslöcher etwas zu stopfen. Andere Experten gehen sogar von bis zu 4,7 Milliarden Euro pro Jahr aus.
Was macht Österreich?
Hierzulande dürfte Kiffen so schnell nicht legal werden. Die ÖVP sprach sich stets gegen eine Legalisierung aus. Selbst für die grünen Gesundheitsminister stellte sich die Frage bisher nicht. Bewegung in einer anderen Sache brachte jedoch unlängst ein junger Mann aus Mödling. Er will vor dem Verfassungsgerichtshof eine Entkriminalisierung von Cannabis für den Eigengebrauch erwirken. Ein dementsprechender Antrag von ihm und seinem Anwalt wurde, nachdem er 2020 wegen eines Joints angezeigt wurde, angenommen. Das Suchtmittelgesetz in der jetzigen Form wird nun geprüft.
(mst)
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