Donnerstag, Oktober 10, 2024

Nicht einmal ein Hundertstel Prozent: Klimabonus-Neiddebatte um fast nichts

Klimabonus-Neiddebatte um fast nichts

Die ÖVP Tirol und Laura Sachslehner machen sich gegen die Ausbezahlung des Klimabonus an Asylwerber und Häftlinge stark, die vom Staat versorgt werden. Um wie viele Menschen geht es überhaupt? Und um wie viel Geld? ZackZack hat die Zahlen.

Wien, 13. September 2022 | Neiddebatten sind ein beliebtes Mittel in der politischen Kampf-Arena. Das bestätigt sich gerade wieder in Österreich. Denn geht es nach der eben zurückgetretenen Laura Sachslehner und der Tiroler ÖVP sowie der FPÖ, soll der Klimabonus an Häftlinge und Asylwerber, die sich in der Grundversorgung befinden, nicht ausgezahlt werden. Dass es sich um eine Scheindebatte handelt, ist offensichtlich, wurde der Klimabonus für alle, die seit sechs Monaten ihren Hauptwohnsitz in Österreich gemeldet haben, doch schon unter der Ära Kurz von der ÖVP einstimmig mitbeschlossen.

Zahlen und Daten

Um die Diskussion richtig einordnen zu können, hilft ein Blick auf die Zahlen. Anfang des Jahres 2022 gab es laut Asylstatistik des Innenministeriums 30.221 Asylwerber in der Grundversorgung, acht Monate später mit Stichtag 1. August 2022 waren es 88.602. Damit entfällt ein hoher Anteil an Asylwerbern in der Grundversorgung auf Menschen, die vermutlich vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind. Der Klimabonus in Höhe von 500 Euro beliefe sich für Asylwerber in der Grundversorgung damit auf 44,3 Millionen Euro.

Für die 8.436 Insassen österreichischer Gefängnisse fielen noch einmal 4,2 Millionen Euro an – alles in allem würde das also insgesamt 48,5 Millionen Euro ausmachen.

Da jedoch nur jene Personen überhaupt anspruchsberechtigt sind, die bereits mehr als sechs Monate in Österreich leben, reduziert sich die Zahl dramatisch. Aufseiten der Asylwerber soll es sich demnach laut einem Bericht der “Kleinen Zeitung” nur noch um etwas mehr 10.000 Personen handeln. Ginge man davon aus, dass alle Häftlinge anspruchsberechtigt sind, ergeben sich folglich Ausgaben in Höhe von insgesamt lediglich rund 9,2 Millionen Euro für Asylwerber und Häftlinge.

Anteil am Sozialprodukt

Die Ausgaben für Soziales betrugen im Jahr 2021 132,2 Milliarden Euro – ein neuer Höchststand. Da die Wirtschaftsleistung jedoch im selben Jahr mit 6,2 Prozent stark anstieg, sank die Sozialquote. Das ist der Anteil der Sozialausgaben am Bruttoinlandsprodukt. Zieht man das Jahr 2021 als Berechnungsgrundlage für Sozialausgaben heran, ergibt sich ein Anteil von 0,0069 Prozent an allen Sozialleistungen. Die Kosten des Klimabonus für Asylwerber und Häftlinge sind damit verschwindend gering.

Dubiose Kosten im Vergleich

Kein Grund für die Tiroler ÖVP oder die FPÖ, Einkommensschwache nicht gegen alle anderen Bürger auszuspielen, die den Bonus ebenfalls bekommen. Zahlenvergleiche zog man dabei bisher nicht heran.

So übersteigen die Kosten für angeordnete Überstunden im ÖVP-geführten Verteidigungsministerium innerhalb von drei Monaten beispielsweise das 9,2 Millionen Paket eindeutig. Im von Klaudia Tanner geleiteten Ressort fallen in einem Quartal rund 12 Millionen Euro an. Wofür die umfangreichen Überstunden angeordnet waren, wollte auf ZackZack-Anfrage nicht beantwortet werden.

Ebenfalls deutlich teurer war – ein Beispiel aus aktuellem Anlass – die Zusammenlegung der Krankenkassen unter der ÖVP-FPÖ-Koalition. Wie aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung seitens NEOS-Sozialsprecher Loacker hervorgeht, die dem „Kurier“ bereits vorliegt, war die wegen erwarteten Einsparungen erfolgte Fusion nicht nur ein großer Kostenfaktor, sondern schlug sich vor allem für externe Beraterfirmen günstig zu Buche. Diese cashten im Rahmen der Kassenzusammenlegung 21,1 Millionen Euro ab. Über mehr als 16 Millionen davon konnte sich, wie der „Kurier“ berichtet, eine einzelne Steuerberatungsgesellschaft freuen: die KPMG.

Aber darüber sprechen die Begründer der Klimabonus-Neiddebatte nicht so gerne.

(dp)

Titelbild: TOBIAS STEINMAURER / APA / picturedesk.com

Autor

  • DanielPilz

    Taucht gern tiefer in komplexe Themengebiete ein. Lebt trotz Philosophiestudiums nicht im Elfenbeinturm und verpasst fast kein Fußballspiel.

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