Opposition bemängelt neues Reformpaket
Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubobfrau Sigi Maurer präsentierten heute Neuerungen zu Medientransparenz, “Journalismusförderung” und das de facto-Ende der “Wiener Zeitung”. Um was es geht.
Wien, 5. Oktober 2022 | Transparenz und Stärkung der Medienlandschaft – unter diesen Stichworten stellten Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) und Grünen-Klubchefin Sigi Maurer (Grüne) die neuen Eckpunkte für das Medientransparenzgesetz und eine überarbeitete “Journalismusförderung” vor.
Unklarheiten bei reinen Onlinemedien
Diese sieht nun auch Grundzüge einer finanziellen Unterstützung für reine Onlinemedien vor. Hier blieb zunächst unklar, ob die vom “Standard” berichteten mindestens 40 Millionen Zeichen pro Jahr (das wären bei 3.000 Zeichen pro Artikel ganze 37 Beiträge pro Tag) tatsächlich Eingang ins Gesetz finden werden.
Das wäre selbst für die Online-Auftritte großer Medien im Land unrealistisch, für reine Onlinemedien faktisch unmöglich erreichbar – und würde sich bei Erreichen wohl negativ auf die Qualität auswirken.
Wenngleich Verbesserungen erkennbar seien, regnete es Kritik seitens der Opposition und journalistischen Interessensvertretungen.
Unklare Kontrolle für Transparenz
Inserate der öffentlichen Hand müssen zukünftig schon ab dem ersten Euro in die Transparenzdatenbank eingemeldet werden. Bisher gab es dafür eine “Bagatellgrenze” von 5.000 Euro. Außerdem muss für Inserate und längerfristige Kampagnen ab 150.000 Euro ein Transparenzbericht vorgelegt, für Kampagnen ab 750.000 eine Wirkungsanalyse erstellt werden. Bei Nichteinhaltung drohen Strafen zwischen 60.000 und 100.000 Euro.
Wer genau das kontrollieren soll, war zunächst nicht klar. Raab schwankte zwischen Verweisen auf die Offenlegung sowie auf die Kommunikationsbehörde KommAustria. Zu einer allgemeinen Obergrenze für Inserate wollte sich die Ministerin auf Nachfrage von “Ö1” nicht äußern.
Wer nicht profitieren soll
Die Medienförderung, die ab diesem Jahr über weitaus höhere finanzielle Mittel verfügen soll, ist nach Vorstellungen der Regierung künftig allen voran an “Rahmenbedingungen für qualitätsvollen Journalismus” gebunden.
Medien mit weniger als drei Redakteurinnen sind von der Förderung ebenso ausgeschlossen wie “Parteimedien”, sowie Medien, die für Hetze, Rassismus, Intoleranz und Fehlinformation stehen, wie Maurer betonte.
“Wiener Zeitung” neu
Einen sogenannten “Transformationsprozess” muss die “Wiener Zeitung” verkraften. Die verpflichtende Veröffentlichung von Ausschreibungen im Amtsblatt wird abgeschafft. Ein schwarzes Brett der Republik Österreich wird es in Zukunft lediglich in einer reinen Onlineausgabe der “Wiener Zeitung” geben.
Außerdem könnte sie “nach Maßgabe der finanziellen Möglichkeiten” mindestens einmal im Monat erscheinen, so Raab. Auf Nachfrage, was das für die Mitarbeitenden der “Wiener Zeitung” bedeute, sagte Raab etwas kryptisch, dass die Zeitung auch in Zukunft gefördert werde.
Die “Wiener Zeitung” ist die älteste noch erscheinende Tageszeitung der Welt.
Kritik von Journalismusverbänden
Der “Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten” spricht in einer Aussendung von einem Versäumnis der Regierung bei der Medienförderung. Denn beim neuen Paket “verzichtet die Bundesregierung sogar gänzlich darauf, Wissenschaft als Kriterium der ‘Allgemeinen Förderbedingungen’ anzuführen”.
Das wäre ein klares Signal dafür, die Wissenschaftsfeindlichkeit in Österreich weiter zu verschärfen. Erst gestern hatte der frischgebackene österreichische Nobelpreisträger Anton Zeilinger eine Stärkung des Wissenschaftsjournalismus gefordert.
Die JournalistInnengewerkschaft des ÖGB erkennt zwar gute Punkte im Reformpaket, kritisiert allerdings die Höhe der Förderung als viel zu niedrig. Die de-facto Einstellung der “Wiener Zeitung” sei zudem ein “Angriff auf die journalistische Pluralität”.
Opposition sieht keinen großen Wurf
Zwar musste auch die politische Konkurrenz der Regierung einige Verbesserungen wie etwa bei der Transparenz zugestehen. Begeisterung will sich aber keine breit machen.
NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter attestierte dem Paket im ZackZack-Gespräch, “mutlos und verwässert” zu sein. So habe man die klassische Presseförderung, die vor allem große Medienhäuser nach Auflage und nicht nach Qualitätskriterien bevorzugt, nicht angerührt. Außerdem seien auch durch die nunmehrige Reform “große Häuser bevorzugt”, da sie über die nötigen Standards leichter verfügen. Insgesamt hätte sich Brandstötter strengere Regeln für die Vergabe von Förderungen gewünscht.
SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried kann den neuen Regelungen ebenfalls etwas Positives abgewinnen, ist aber noch skeptisch, ob die Neuerung tatsächlich die versprochene Transparenz bringen wird. “Es wäre nicht das erste Mal, dass Ankündigungen von Türkis-Grün und Gesetzestexte nicht viel miteinander zu tun haben – der Teufel steckt auch hier im Detail”, so Leichtfried.
Transparenzbericht und Wirkungsanalyse bei Inseratenkampagnen müssten außerdem schon vor beziehungsweise kurz nach dem Start der Kampagne veröffentlicht werden, fordert der SPÖ-Abgeordnete und kritisiert den unklar gebliebenen Zeitpunkt der Veröffentlichungspflicht. Dass man die “Wiener Zeitung” langsam sterben lasse, bedauert Leichtfried: „Es wäre möglich gewesen, ein wirtschaftliches Modell zu finden, das den Erhalt der Tageszeitung sichert. Die Regierung wollte das nicht. Sie ist damit verantwortlich dafür, dass Österreich ein Medienjuwel verliert und journalistische Pluralität verloren geht”.
Der Onlineauftritt des ORF steht ebenso im Fokus baldiger Neuerungen. Grüne und ÖVP konnten sich jedoch bisher nicht auf konkrete Änderungen einigen. Wie orf.at zukünftig aussehe, sei “Gegenstand von Gesprächen”, wie Maurer erklärte.
Fragezeichen bleiben
Die vergangene und bereits 2021 von der türkis-grünen Regierung beschlossene Digitalisierungsförderung für Medien hatte für breite Kritik gesorgt. SPÖ-Mediensprecher Jörg Leichtfried etwa hatte kein Verständnis dafür, dass die “Digitalisierungsförderung” nicht für reine Onlinemedien gelten sollte. NEOS-Brandstötter beklagte, dass die Medienförderung “die momentanen Marktverhältnisse” einzementiere und neuen Medien den Einstieg erschwere.
Künftig könnten also auch reine Onlinemedien von der Medienförderung profitieren. Allerdings nur auf dem Papier, sollte der Entwurf mit den 40 Millionen Zeichen im Jahr tatsächlich so durchgehen. ZackZack bleibt dran.
(dp)
Titelbild: HANS KLAUS TECHT / APA / picturedesk.com