Im Iran ist Montagfrüh der zweite Demonstrant hingerichtet worden. Konkrete Kritik von österreichischen Spitzenpolitikern an den Hinrichtungen gab es bisher kaum.
Mashhad/Teheran, 12. Dezember 2022 | Der Iran setzt die Hinrichtungen von Demonstranten fort. Montagfrüh ist nach Angaben von Staatsmedien ein weiterer junger Mann hingerichtet worden. Majidreza Rahnavard ist das zweite Todesopfer der aktuellen iranischen Scheinprozesse. Rahnavard soll angeblich zwei Angehörige der paramilitärischen Basij-Miliz – einem Teil der Iranischen Revolutionsgarde, die sich aus Freiwilligen zusammensetzt – getötet und vier weitere verletzt haben.
Der islamische Terrorstaat hat den zweiten Demonstranten gehängt. Majidreza Rahnavard, 23 Jahre alt. Wurde heute Früh in Mashhad hingerichtet. Man hat auch dieses Mal die Familie erst nach der Hinrichtung verständigt. RIP Majidreza. #IranRevolution pic.twitter.com/4IhtL9WiWV
— Shoura Hashemi (@ShouraHashemi) December 12, 2022
Laut den Vereinten Nationen (UN) sind bis vergangenen Donnerstag zwölf Todesurteile offiziell bestätigt worden – auf Basis der allgemein gehaltenen Anklagepunkte „Kriegsführung gegen Gott“ oder „Korruption auf der Erde“, auf die die Todesstrafe steht. Medienberichten zufolge droht derzeit unmittelbar 23 weiteren Menschen die das gleiche Schicksal.
Unfaire Prozesse
Die Angeklagten haben laut Menschenrechtsorganisationen keine Möglichkeit, ihren eigenen Anwalt zu wählen und werden während ihrer Haft gefoltert. Die Verhandlungen vor dem Islamischen Revolutionsgericht sind laut Amnesty International „Show-Prozesse“, bei denen die Menschenrechte der Angeklagten mehrfach verletzt werden, unter anderem weil es keine Unschuldsvermutung gibt, das Gericht nicht unabhängig ist und die Angeklagten nicht fordern können, dass die Verhandlung öffentlich abgehalten wird.
Das Revolutionsgericht ist im Rahmen der iranischen Revolution in den 1980er-Jahren bekannt geworden, weil es tausende Oppositionelle verurteilt und hinrichten hat lassen.
Hinrichtungen zur Abschreckung
Laut Amnesty International sind iranische Amtsträger bemüht, die Prozesse so schnell wie möglich abzuhalten und die Demonstranten öffentlichkeitswirksam hinzurichten. Die Organisation kritisiert, die Todesstrafe würde vom Iran als Werkzeug politischer Unterdrückung verwendet. Sie befürchtet, dass noch viele weitere Festgenommene hingerichtet werden könnten.
Internationale Empörung
Die Hinrichtungen sorgen weltweit für Entsetzen und Empörung. „Hinrichtungen nach unfairen Gerichtsverfahren sind willkürliche Tötungen“, sagten UN-Experten am Donnerstag nach der ersten Hinrichtung im Rahmen der aktuellen Proteste, jener des 23-jährigen Rappers Mohsen Shekari.
#Iran: We deplore hanging of #MohsenShekari – 1st person executed regarding latest protests – & fear for another 11 protesters sentenced to death. We call for immediate halt to executions. Death penalty is incompatible with human rights & cannot be reconciled with right to life.
— UN Human Rights (@UNHumanRights) December 8, 2022
Konkrete Reaktionen vonseiten österreichischer Spitzenpolitiker gab es noch wenig. Bundeskanzler Karl Nehammer äußerte sich am Tag der Menschenrechte, zwei Tage nach der Hinrichtung von Mohsen Shekari, allgemein zu den Vorgängen im Iran und beurteilte die „Gewalt (…) gegen Menschen, die friedlich für Frauen- & Menschenrechte demonstrieren“ als „absolut inakzeptabel“. Montagnachmittag treten in Brüssel die EU-Außenminister ein weiteres Mal zusammen, um unter anderem über neue Sanktionen gegen den Iran zu beraten.
Seit dem Tod von Mahsa Amini erleben wir eine äußerst besorgniserregende Situation im #Iran. Gewalt gegen Frauen, die gegen die Bekleidungsvorschrift verstoßen, und gegen Menschen, die friedlich für Frauen- & Menschenrechte demonstrieren, ist absolut inakzeptabel.
— Karl Nehammer (@karlnehammer) December 10, 2022
Die Menschenrechts-Sprecherin der Grünen Ewa Ernst-Dziedzic verurteilte indes am Montag in einer Aussendung die Hinrichtungen und forderte die “Weltmächte” auf, “endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und das Mullah-Regime mit all ihren zur Verfügung stehenden Mitteln sanktionieren und isolieren.” Das Vorgehen der iranischen Führung zeuge von deren Schwäche und Verzweiflung, so Ernst-Dziedzic weiter.
Informationen unter Verschluss
Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International haben alle Mühe herauszufinden, wer wann angeklagt beziehungsweise verurteilt wird. Die iranische Führung hält laut Amnesty solche Informationen unter Verschluss und droht Anwälten und Angehörigen mit Vergeltungsmaßnahmen, sollten sie Informationen veröffentlichen. Die Angehörigen des jüngsten Hinrichtungsopfers sollen Medienberichten zufolge Montagfrüh erst nach der Exekution angerufen und darüber informiert worden sein, dass Rahnavard gehängt und begraben worden war.
Anhaltende Proteste trotz Gewalt
Seitdem die junge Kurdin Jina Mahsa Amini am 16. September durch Polizeigewalt gestorben ist, protestieren iranische Bürger gegen die Unterdrückung von Frauen, gegen das iranische Regime und für Menschenrechte. Trotz Drohgebärden der iranischen Führung, willkürlicher massiver Gewalt der Exekutive und zahlreicher Festnahmen protestieren die Menschen weiter und bringen das Regime unter Druck.
Während der Proteste sind laut Angaben der NGO Iran Human Rights bereits mindestens 448 Menschen getötet und laut Schätzungen etwa 15.000 festgenommen worden.
(pma)
Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl