Samstag, Juli 27, 2024

Notruf AKH: Teil 2 Krebspatienten in Not

Ohne Pflegerinnen, Betten und Operationstermine werden Krebspatienten zu den Hauptopfern der Spitalkrise. Neue Fakten aus dem AKH.

 

Peter Pilz

Wien, 22. Dezember 2022 | Seit Dienstag läuft die Universitätsklinik für Urologie auf Notbetrieb. Operiert wird nur, wer danach in einem der wenigen verbliebenen Betten der Klinik versorgt werden kann. Bisher konnte die Klinik nur noch 18 statt 48 Betten offenhalten. In dieser Woche sind zwei weitere Betten gesperrt worden. Immer mehr Krebspatienten wissen jetzt nicht, ob sie noch rechtzeitig operiert werden können.

Kein Platz für 180 Krebspatienten

Die Zahlen, die ZackZack vorliegen, sprechen eine eindeutige Sprache. Im Jahr 2021 konnten die Urologen des AKH noch 3.548 Patienten operieren. Ein Jahr später sind es 2.473 – um dreißig Prozent weniger. Dahinter verbergen sich die Zahlen, bei denen es um besonders viel geht: Statt 923 Krebspatienten im Jahr 2021 konnten im laufenden Jahr nur noch knapp 750 operiert werden. Der Rückgang beträgt „nur“ zwanzig Prozent, weil die Ärzte um jede Krebsoperation kämpfen. Aber es sind trotzdem 180 Patienten weniger, für die es keinen OP-Tisch oder kein Bett gegeben hat.

Viele von ihnen sitzen jetzt zu Hause und warten auf einen „Slot“, einen neuen OP-Termin und hoffen, dass dieser nicht wieder abgesagt wird.

Tisch gesperrt

Die AKH-Klinik ist kein Einzelfall. Immer öfter mussten in letzter Zeit im AKH und an anderen Spitälern in Wien und in den Bundesländern geplante Operationen abgesagt werden, heißt es hinter vorgehaltener Hand. So verläuft heute ein typischer OP-Tag:

Vier Patienten stehen auf der Liste. Ihre Diagnose lautet „Krebs“. Der Operationsbeginn ist für den nächsten Tag um neun Uhr festgesetzt. Am frühen Nachmittag kommt die Hiobsbotschaft: „Der zweite Tisch ist gesperrt!“ Die Ärzte, die sich auf die Krebsoperationen vorbereiten, wissen, was das heißt.

Alle Patienten sind mit Infusionen gründlich auf ihre OP vorbereitet worden. Der Arzt, der die Liste vor sich liegen hat, streicht zwei Namen durch: „noch nicht so fortgeschritten, jünger, weniger Nebenerkrankungen“.

Ein paar Tage davor kommt die Nachricht um 7.10 Uhr in der Früh. Ab acht Uhr sollen vier Patienten auf zwei Tischen operiert werden. Wieder fallen die Pflegerinnen für einen Tisch aus. Er wird gesperrt. Zwei auf den Eingriff vorbereitete Patienten werden kurz vor ihrer Operation gebeten, wieder nach Hause zu gehen.

Keine Tische

Früher konnte in der urologischen Klinik des AKH an drei Tischen operiert werden. Der dritte Tisch ist schon lange auf Dauer gesperrt. Der zweite Tisch fällt immer öfter aus, weil die beiden Schwestern, die jede Operation begleiten müssen, fehlen. Der Arbeitstag in der Station beginnt immer öfter so: 1. Triage, wer noch drankommt. 2. Tisch gesperrt, Operationen absagen, Patienten verständigen und beruhigen. 3. Nächste Tage planen, Tumor gegen Tumor abwägen. Dazwischen nicht mehr brauchbare Katheder, Schienen zur Ableitung der Flüssigkeiten aus Blase und Niere, die so lange nicht gewechselt werden konnten, dass sie verkrustet sind.

100 Euro für eine OP

„Manche schreien, die meisten diskutieren, wollen wissen, warum und ob es nicht doch einen Weg gibt“, beschreibt ein Arzt einer Nachbarstation den Moment, in dem die Patienten erfahren, dass sie nicht operiert werden. „Andere bieten uns Geld an, 100, 200 Euro. Sie wissen nicht, dass wir nichts nehmen. Es ist schlimm genug, dass wir Triage machen müssen.“

Dann kommen die Anrufe, immer öfter: „Wann komme ich dran? Ich kann nicht mehr warten!“ Der Arzt resigniert: „Das hat mit Arbeit nichts mehr zu tun.“

In der urologischen Klinik warten Ärzte und Patienten auf Hilfe von oben. Wenn der AKH-Direktor ausreichend Pflegepersonal für die leerstehenden Klinik-Betten und die verwaisten OP-Tische zur Verfügung stellt, könnte wieder an drei Tischen operiert werden.

Auf ZackZack-Nachfrage zur kritischen Situation in der urologischen Abteilung des AKH beim Wiener Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) meint dieser, dass er über den aktuellen Stand “selbstverständlich informiert” sei. Welche Maßnahmen die Stadt Wien ergreifen wolle, um den Mangel an Betten und OP-Tischen zu beheben, blieb allerdings unbeantwortet.

Das AKH sagt auf Nachfrage, die Beantwortung der Fragen werde noch „Zeit in Anspruch nehmen. Gegensteuernde Maßnahmen werden ergriffen und wir werden eine Rückmeldung geben, wenn der Prozess abgeschlossen ist“.

Teil 1 von Notruf AKH

Titelbild: ZackZack/Miriam Mone

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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