Mittwoch, April 24, 2024

»Behördenversagen«: Frauenorganisationen kritisieren Regierung

Das ist eine Unterüberschrift

Frauenpolitik sei hierzulande kaum vorhanden, Kinder Alleinerziehender werden von der ÖVP im Stich gelassen, Gewaltschutz nicht ernst genug genommen – so das Fazit von Frauenorganisationen am Freitag. 

Wien, 14. Jänner 2023 | Es ist still im Raum bevor die Vertreterinnen diverser Frauenschutzorganisationen mit ihrer Pressekonferenz beginnen. Eine Hand voll Medienvertreter ist gekommen. Die Gesichter sind ernst, die Enttäuschung über mangelnde Regierungsarbeit zum Thema Gewalt gegen Frauen und kaum vorhandene Frauenpolitik ist den Rednerinnen anzuhören.

Mittlerweile sei davon auszugehen, dass nicht jede fünfte Frau in Österreich von Gewalt betroffen ist, sondern bereits jede dritte. Das neue Jahr ist noch jung und es gab bereits mehrere Versuche und zwei vollendete Frauenmorde. Am Freitag nach der Pressekonferenz wurde bekannt, dass ein Mann im Bezirk Baden seine Schwester erstochen und seine andere Schwester verletzt haben soll. Im Vorjahr gab es laut Zählung der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) 28 Morde an Frauen, meistens waren die Täter Partner oder jemand aus dem persönlichen Umfeld.

“Männerproblem” statt “Ausländerproblem”

Trotzdem habe man bei den „schönen Reden zu Neujahr“ und auch bei der Regierungsklausur keine Statements zu Frauenpolitik, Feminismus und Gewaltschutz und kein Bedauern für die Opfer des Vorjahres und ihre hinterbliebenen Kinder gehört, so Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.

Statt das eigene Versagen zu untersuchen, werde das Gewaltproblem von der Regierung als „Ausländerproblem“ dargestellt. Gewalt an Frauen sei aber kein Ausländerproblem, sondern ein „Männerproblem“ und ein „institutionelles Problem“, dem sich die Politik endlich annehmen müsse, fordert auch AÖF-Leiterin Maria Rösslhumer.

Behördenversagen: Frauen im Stich gelassen

Sie spricht von „konsequenzenlosem Behördenversagen“ – eines von mehreren Beispielen ist der Fall jener Frau in Oberösterreich, die die Polizei wegen ihres gewalttätigen Partners rief, von dieser aber abgewimmelt wurde, bis der Mann sie kurz darauf mit einem Messer angriff.

Viele Frauen fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen, oder haben Angst sich dort zu melden, weil nicht sicher sei, ob es wirklich zu einem Betretungsverbot gegen den gewalttätigen Partner komme. Acht von zehn Anzeigen würden eingestellt werden, oft viel zu früh, so Rösslhumer.

Kein Vertrauen ins System

„Was helfen uns die Gewaltschutzgipfel der Regierung, wenn die betroffenen Frauen im realen Leben nicht ernst genommen und im Stich gelassen werden? Die Maßnahmen sind zahnlos, wenn die Betroffenen kein Vertrauen ins System haben. Sie wirken nicht, wenn die Ausführenden und Zuständigen Gewalt an Frauen nicht erkennen oder verharmlosen“, sagt die Leiterin der AÖF.

Und sie kritisiert: Die Verantwortung werde immer noch den Betroffenen zugeschoben, etwa in dem man Kampagnen mache, wie man sich vor KO-Tropfen schützt, anstatt mehr Konsequenzen für Täter zu setzen.

Forderung: Schulungen und mehr Geld

Die Frauenorganisationen fordern verpflichtende Schulungen für jene, die mit Frauen und Kinder zu tun haben, die von Gewalt betroffen sind, wie etwa Richter und Polizisten. Außerdem brauche es mehr Personal für Frauenhäuser, pro Einrichtung mehr leistbare Wohnungen, einen Aktionsplan und ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Ministerien bei der Finanzierung von Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen. Wenigstens das Sozialministerium bemühe sich derzeit Gewaltschutz zu finanzieren, so Rösslhumer.

Notwendig sei auch endlich die Umsetzung der Istanbul Konventionen, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Diese hat Österreich zwar ratifiziert, halte sich aber nicht daran.

Klaudia Frieben vom Frauenring fordert auch eine Frauenpolitik für alle: „Wir brauchen eine Frauenpolitik, die nicht für elitäre Frauen Politik macht, sondern für den größten Teil der Frauen in Österreich, die neben ihrer bezahlten Arbeit noch unbezahlte Arbeit leisten müssen und ihre Kinder und nahen Angehörigen pflegen.“

Kritik von Alleinerziehenden an Raab

Direkte Kritik an Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) kam vom Verein Feministischer Alleinerzieherinnen (FEM.A): „Arme Kinder sind das Produkt einer schlechten Familienpolitik!“ Die ÖVP solle endlich aufhören, den Unterhaltsvorschuss zu blockieren, den sie eigentlich in den Medien bejahe. Denn nur rund die Hälfte aller Kinder von Alleinerziehenden bekämen momentan Unterhalt von den Vätern bezahlt. Durchschnittlich seien das rund 300 Euro pro Monat, die realen Kinderkosten seien aber eigentlich dreimal so hoch.

Dagmar Hackl, Projektmitarbeiterin von AÖF und FEM.A nutze die Pressekonferenz auch, um auf behördliche Missstände hinzuweisen, etwa bei Gerichtsverfahren bei denen es um das Sorgerecht geht. Hier würde in vielen Fällen gegen den Opferschutz von Kindern verstoßen werden, etwa von Gutachtern, die beurteilen sollen, ob Kinder von einem Elternteil misshandelt werden. Kinder, die berichten, misshandelt zu werden, würden nicht ernstgenommen.

Außerdem werde den Müttern allzu oft unterstellt, dass diese die Kinder benutzen würden, um sie den Vätern wegzunehmen. Hier werde Täter-Opfer-Umkehr betrieben und den Müttern und Kindern die Glaubwürdigkeit entzogen. Es brauche daher eine Stelle in Österreich, an die sich Mütter mit diesen Problemen wenden können.

(sm)

Titelbild: ZackZack/Stefanie Marek

Stefanie Marek
Stefanie Marek
Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.
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18 Kommentare

  1. keine frauenpolitik? vor allem keine kinderpolitik! kinder haben überhaupt keine rechte. es wird den frauen vom jungendamt gedroht, dass sie das kinderl fremd unterbringen werden und kapieren überhaupt nicht, dass den kindern die mutter genommen wird. dort, wo es schiarch hergeht – schauns weck und statt dessen, werden zb vom jugendamt tulln/nulln selbständige an allen wirtschaftlichen machenschaften noch sekkiert, verhindert und zugemüllt. aus kärnten kann ich überhaupt gschichten berichten – wo ich damen beim behördenweg begleitete. weil – die politik ist das eine – die frauenfeindliche und eigentlich mutterfeindliche herrenrunde steht da ihrem leiwanden freund zur seite – weil des wird jo scho an grund ghobt hobn, warum ER ihr a xunde watschn verpasste – dieser xanthippe. UND dann die christliche scheinheiligkeit. darum hatte jesus jünger und nicht älter.

  2. Ja, ganz richtig: Erneut Behördenversagen!
    Behördenversagen wo man in diesem Land nur hinschaut.
    Welche Behörden in diesem Land aber funktionieren noch wie sie sollten und wie wir als dies bezahlende Bürger das erwarten müssten?

      • Versagen ist das nicht, es ist gewollt. In der FPÖ die gleiche Ideologie.
        In der Vergangenheit wurde bei jedem Vorschlag bzw. Gesetz das Verbesserungen für Frauen bringen sollte waren sie sich einig und haben ihre reaktionäre Show abgezogen.🤮

        • Ja das wird wohl so gewollt sein.
          Aber das betrifft nicht nur die Frauen sondern ist ein generelles Problem.
          Bei den Frauen trifft es halt in einem größeren Ausmass sozial und meist auch standes- und machtgemäß die schwächere Seite…
          Es wäre deshalb sehr gefährlich dieses Behördenversagen nur auf die Frauen zu beziehen.
          Wie las ich heute? – In Österreich soll die soziale Absicherung (Für Frau und Mann und Kinder) als einem der letzten Ländern in Europa kein Verfassungsrag gesichert sein?

      • Natürlich auch Regierungsversagen.
        Aber das Behördenversagen ist noch zusätzlich und von den dortigen Kernen und den dortigen Steuerbarern aus gewünscht und so gesteuert.

    • und wenns kein behörderversagen ist – dann ists ein vereinsversagen. WEIL den meisten behörden werden noch leiwande vereine vorgeschaltet. dann putzt sich der eine am andern ab. in NÖ müssten landesvertragsbedienstete gem. der verfassung mit fleiss, sorgfalt und unparteilichkeit zu werke gehn. was kriegt man eigentlich in der republik bei diesen steuerabgaben?

  3. Österreichs Politik ist mittlerweile massiv frauenfeindlich…. Hätte nie gedacht, dass ich so etwas erleben werde.

  4. Was soll man zu alldem noch sagen? Vieles aber bei weitem nicht alles ist gesagt.
    Das Frauenministerium ist eine einzige Schweinerei. Die Raab sackelt unser Steuergeld für Untätigkeit ein, und die Grünen klatschen Beifall. Diese reaktionäre Bagage würde auch den § 96 abschaffen und alle Errungenschaften von Johanna Dohnal. 😬

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