Samstag, Juli 27, 2024

»Behördenversagen«: Frauenorganisationen kritisieren Regierung

Das ist eine Unterüberschrift

Frauenpolitik sei hierzulande kaum vorhanden, Kinder Alleinerziehender werden von der ÖVP im Stich gelassen, Gewaltschutz nicht ernst genug genommen – so das Fazit von Frauenorganisationen am Freitag. 

Wien, 14. Jänner 2023 | Es ist still im Raum bevor die Vertreterinnen diverser Frauenschutzorganisationen mit ihrer Pressekonferenz beginnen. Eine Hand voll Medienvertreter ist gekommen. Die Gesichter sind ernst, die Enttäuschung über mangelnde Regierungsarbeit zum Thema Gewalt gegen Frauen und kaum vorhandene Frauenpolitik ist den Rednerinnen anzuhören.

Mittlerweile sei davon auszugehen, dass nicht jede fünfte Frau in Österreich von Gewalt betroffen ist, sondern bereits jede dritte. Das neue Jahr ist noch jung und es gab bereits mehrere Versuche und zwei vollendete Frauenmorde. Am Freitag nach der Pressekonferenz wurde bekannt, dass ein Mann im Bezirk Baden seine Schwester erstochen und seine andere Schwester verletzt haben soll. Im Vorjahr gab es laut Zählung der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser (AÖF) 28 Morde an Frauen, meistens waren die Täter Partner oder jemand aus dem persönlichen Umfeld.

“Männerproblem” statt “Ausländerproblem”

Trotzdem habe man bei den „schönen Reden zu Neujahr“ und auch bei der Regierungsklausur keine Statements zu Frauenpolitik, Feminismus und Gewaltschutz und kein Bedauern für die Opfer des Vorjahres und ihre hinterbliebenen Kinder gehört, so Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings.

Statt das eigene Versagen zu untersuchen, werde das Gewaltproblem von der Regierung als „Ausländerproblem“ dargestellt. Gewalt an Frauen sei aber kein Ausländerproblem, sondern ein „Männerproblem“ und ein „institutionelles Problem“, dem sich die Politik endlich annehmen müsse, fordert auch AÖF-Leiterin Maria Rösslhumer.

Behördenversagen: Frauen im Stich gelassen

Sie spricht von „konsequenzenlosem Behördenversagen“ – eines von mehreren Beispielen ist der Fall jener Frau in Oberösterreich, die die Polizei wegen ihres gewalttätigen Partners rief, von dieser aber abgewimmelt wurde, bis der Mann sie kurz darauf mit einem Messer angriff.

Viele Frauen fühlen sich von der Polizei nicht ernst genommen, oder haben Angst sich dort zu melden, weil nicht sicher sei, ob es wirklich zu einem Betretungsverbot gegen den gewalttätigen Partner komme. Acht von zehn Anzeigen würden eingestellt werden, oft viel zu früh, so Rösslhumer.

Kein Vertrauen ins System

„Was helfen uns die Gewaltschutzgipfel der Regierung, wenn die betroffenen Frauen im realen Leben nicht ernst genommen und im Stich gelassen werden? Die Maßnahmen sind zahnlos, wenn die Betroffenen kein Vertrauen ins System haben. Sie wirken nicht, wenn die Ausführenden und Zuständigen Gewalt an Frauen nicht erkennen oder verharmlosen“, sagt die Leiterin der AÖF.

Und sie kritisiert: Die Verantwortung werde immer noch den Betroffenen zugeschoben, etwa in dem man Kampagnen mache, wie man sich vor KO-Tropfen schützt, anstatt mehr Konsequenzen für Täter zu setzen.

Forderung: Schulungen und mehr Geld

Die Frauenorganisationen fordern verpflichtende Schulungen für jene, die mit Frauen und Kinder zu tun haben, die von Gewalt betroffen sind, wie etwa Richter und Polizisten. Außerdem brauche es mehr Personal für Frauenhäuser, pro Einrichtung mehr leistbare Wohnungen, einen Aktionsplan und ein besseres Zusammenspiel der verschiedenen Ministerien bei der Finanzierung von Maßnahmen gegen Gewalt an Frauen. Wenigstens das Sozialministerium bemühe sich derzeit Gewaltschutz zu finanzieren, so Rösslhumer.

Notwendig sei auch endlich die Umsetzung der Istanbul Konventionen, ein Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt. Diese hat Österreich zwar ratifiziert, halte sich aber nicht daran.

Klaudia Frieben vom Frauenring fordert auch eine Frauenpolitik für alle: „Wir brauchen eine Frauenpolitik, die nicht für elitäre Frauen Politik macht, sondern für den größten Teil der Frauen in Österreich, die neben ihrer bezahlten Arbeit noch unbezahlte Arbeit leisten müssen und ihre Kinder und nahen Angehörigen pflegen.“

Kritik von Alleinerziehenden an Raab

Direkte Kritik an Frauen- und Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) kam vom Verein Feministischer Alleinerzieherinnen (FEM.A): „Arme Kinder sind das Produkt einer schlechten Familienpolitik!“ Die ÖVP solle endlich aufhören, den Unterhaltsvorschuss zu blockieren, den sie eigentlich in den Medien bejahe. Denn nur rund die Hälfte aller Kinder von Alleinerziehenden bekämen momentan Unterhalt von den Vätern bezahlt. Durchschnittlich seien das rund 300 Euro pro Monat, die realen Kinderkosten seien aber eigentlich dreimal so hoch.

Dagmar Hackl, Projektmitarbeiterin von AÖF und FEM.A nutze die Pressekonferenz auch, um auf behördliche Missstände hinzuweisen, etwa bei Gerichtsverfahren bei denen es um das Sorgerecht geht. Hier würde in vielen Fällen gegen den Opferschutz von Kindern verstoßen werden, etwa von Gutachtern, die beurteilen sollen, ob Kinder von einem Elternteil misshandelt werden. Kinder, die berichten, misshandelt zu werden, würden nicht ernstgenommen.

Außerdem werde den Müttern allzu oft unterstellt, dass diese die Kinder benutzen würden, um sie den Vätern wegzunehmen. Hier werde Täter-Opfer-Umkehr betrieben und den Müttern und Kindern die Glaubwürdigkeit entzogen. Es brauche daher eine Stelle in Österreich, an die sich Mütter mit diesen Problemen wenden können.

(sm)

Titelbild: ZackZack/Stefanie Marek

Autor

  • Stefanie Marek

    Redakteurin für Chronik und Leben. Kulturaffin und geschichtenverliebt. Spricht für ZackZack mit spannenden Menschen und berichtet am liebsten aus Gerichtssälen.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

18 Kommentare

18 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!