Das Thema meines Osteraufsatzes lautet „Liesing“. Es geht um einen Fluss, eine Partie und die Ausbildung von Sebastian Kurz.
Wien, 9. April 2023 In Liesing, dem geheimnisvollen Vorort im Süden Wiens, ist bekanntlich vor langer Zeit die SPÖ von Werner Faymann und Doris Bures gegründet worden. Damals hat es noch das Liesinger Bier gegeben. Man sagt, es war etwas dünn, etwa so, wie der „Kurier“ zu dieser Zeit.
In dieser Gruppe wurde auch entschieden, beim geplanten Namen „Sozialistische Partie Österreichs“ das „i“ und das „e“ zu tauschen. So wurde aus der „Partie“ die Partei.
Liesing liegt an der Liesing, aber die haben nur wenige gesehen. Sie fließt im Verborgenen, wie die Liesinger Partie. Man sagt, dass ihr Doris Bures angehört. Die Bures-Leistung, alles ausgesessen zu haben, unterschätzt in der SPÖ niemand.
Das größte politische Talent, das die Liesinger Partie hervorgebracht hat, ist Christian Deutsch. Wenn er in Liesing oder sonstwo auf einem Platz auf einen Sessel steigt und spontan zu reden beginnt, hängen Tausende gebannt an seinen Lippen und brechen dann in Jubel aus. Es ist nur so, dass Deutsch fast nie aus Sitzungszimmern auf Plätze kommt.
In Grund und Boden
Jetzt gelange ich an den Punkt, wo sich Sebastian Kurz in den Hintern beißt. Da kommt der „Kurier“ ins Spiel. Dazu muss man wissen: Werner Faymann besteht aus zwei Personen: aus Werner Faymann und aus Josef Ostermayer. Ostermayer denkt sich das, was Faymann möglicherweise sagt. Weil Ostern ist, nenne ich den doppelten Werner ab jetzt „Ostermann“.
Nachdem er gemeinsam mit Doris Bures die SPÖ gegründet hat, ist Werner Ostermann 1994 Wohnbaustadtrat in Wien geworden. Dort hat er während seiner 13 Amtsjahre festgestellt, dass es der SPÖ und dem „Kurier“ immer schlechter geht. Der SPÖ sind damals die Wähler und dem „Kurier“ die finanziellen Mittel ausgegangen. Beiden konnte nur auf eine Art geholfen werden: durch die Erfindung der Regierungsinseraten-Wirtschaft.
Dazu wurde der „Wohnbau-Kurier“ ins Leben gerufen. Dort wurde berichtet, wie Ostermann mit dem Leiterwagerl in Favoriten Ziegel einsammelte, das Wagerl vierhändig durch die Stadt zog und damit in Floridsdorf wunderbare Siedlungen für Werktätige baute, in denen es fast so schön war wie an der Liesing.
Daneben stand das Inserat des Wohnbaustadtrats, das nicht besonders auffiel, weil auf der Gegenseite „Wiener Wohnen“ oder eine Genossenschaft oder freundlich gesinnte Fensterfirma inserierte. Ostermann wurde immer populärer, und der „Kurier“ kam immer besser über die Runden.
Kuchenstückabgabe
Damals war ich Abgeordneter der Grünen. Die „Kurier“-Redakteure, die ich darauf ansprach, sagten mir spätabends im Vertrauen im „Alt Wien“, dass sie sich in Grund und Boden schämten. Aber Grund und Boden waren fest in der Hand von Ostermann und seiner Partie.
Es dauerte nicht lange, und die „Kronen Zeitung“ wollte auch ein Stück vom Kuchen. Eva Dichand bombardierte Ostermann so lange mit ihren Nachrichten, bis… Nein, jetzt bin ich ausnahmsweise der Zeit voraus, das war damals noch Hans Dichand. SMS gab es keine, und „WKStA“ stand damals für „Wiener Kuchenstück-Abgabe“, wie die Inseratenabteilung von Werner Ostermann hieß.
Inseratenumkehr
Dann wurde „Österreich“ gegründet, weil sich die Fellner-Brüder zurecht fragten, warum man Inserate zu Artikeln keilen sollte, wenn man Artikel für Inserate maßschneidern konnte. Mit ihrem Prinzip der „Inseratenumkehr“ machten sie Journalisten zu „Tools“ und revolutionierten so die Branche.
Damals meldete sich eine Verlags-Mitarbeiterin und schilderte mir, wie Ostermann, der bereits Verkehrsminister war, mit ihr und einem Mann aus dem Verlag auf großen weißen Blättern mit Farbstiften Rechtecke zeichneten und in jedes Rechteck Namen eintrugen: „ÖBB“, „ASFINAG“, „Austro Control“ und ein paar andere. Daraus wurden dann „Sonderhefte“. Ich habe ihr kein Wort geglaubt und bin mir sicher, dass die Inserate, die dann wirklich dort drin waren, auf ganz anderem Weg hineingekommen sind. Das Flugsicherheitsunternehmen „Austro Control“ hat bekanntlich damals unter „Österreich“-Lesern verzweifelt nach Kunden, die ihre Verkehrsflugzeuge mit den Fluglotsen der „Austro Control“ sicher durch den österreichischen Luftraum steuern wollten, gesucht.
Auf diese Art wurde Ostermann Bundeskanzler. An einem 1. Mai wurde er am Wiener Rathausplatz so ausgebuht, dass er nicht mehr wollte. An der Liesing wird noch heute erzählt, dass der junge Doskozil einer der Oberbuher war, und Andi Babler zum Buhen extra den Schnuller aus dem Mund nahm.
Schüler Kurz
Statt Ostermann kam Christian Kern, der keine Ahnung vom Inseraten-Wohnbau am Boulevard hatte und dafür mit seinem Amt bezahlte. Ostermann hatte nur einen einzigen Schüler: Sebastian Kurz. Aber Kurz hatte noch zwei weitere Lehrer: Wolfgang Schüssel und Viktor Orbán. Von Schüssel lernte er, dass man mit allen ins Bett geht, von Orbán, dass man sich dabei nichts pfeift. Der ungarische Regierungschef hat seine Lektion von Putin gelernt: zuerst Polizei und Justiz und natürlich die Geheimdienste. Dann die Medien, das Parlament fällt von selbst.
Das alles hat Kurz nicht von Ostermann gelernt. Das hat auch mit Geschichte zu tun. Bei Politikern, deren Ahnenreihe von Viktor Adler und Otto Bauer bis Bruno Kreisky reicht, sitzt auch der Wendehals auf einem ganz anderen Rückgrat als bei denen, die von Karl Lueger und Engelbert Dollfuß abstammen.
Auf die Regime-Idee wäre Ostermann nicht einmal im Schlaf gekommen, erstens, weil er Regimes grundsätzlich nicht mag, aber wohl auch, weil ihm das Besitzdenken der ÖVP´ler fremd war: Warum sollte man etwas besitzen, wenn man es kaufen kann, noch dazu mit Steuergeld?
Kurz ist bis heute nicht ausgebuht worden. Er musste gehen, weil die WKStA, die inzwischen eine Staatsanwaltschaft war, seine Büros durchsucht hat und ihn selbst als Beschuldigten eintragen ließ. Inzwischen gilt Kurz als tüchtiger Unternehmer, der seiner Linie treu bleibt und nimmt, was er bekommt. Hätte er mehr Geld, wäre er Oligarch.
Kein Liesinger
An der Liesinger Partie ist das alles vorbeigegangen. Michael Ludwig sitzt im Rathaus und wartet mit Doris Bures, was die Zukunft bringt. „Zukunft“ ist für die Partie nach wie vor das, was man parteiintern regelt.
Sebastian Kurz beißt sich jetzt in den Hintern, weil er einfach nicht draufkommt, warum sie ihn erwischen und Ostermann nicht. Eva Dichand dürfte es ähnlich gehen, die Inseraten-Fashionweeks scheinen vorbei. Die „Heute“-Chefin hält den Rechtsstaat jetzt für einen Marterpfahl und will sich verständlicherweise nicht anbinden lassen.
An ihnen allen zieht jetzt die unerbittliche Zeit vorbei. Inzwischen inseriert das Umweltministerium, dass Ostermann und Kurz Hören, Sehen und Augenreiben vergehen. Die Umweltministerin tut es allerdings nicht für sich und ihre Partei, sondern für das Klima.
Die SPÖ sucht inzwischen einen neuen Chef. Das einzige, was feststehen dürfte, ist, dass er kein Liesinger ist.
Ja, und jetzt rufe ich allen, die bis hierher gelesen haben, meinen Ostereiersegen zu:
„Greift zum Schinken, greift zum Kren
Freundschaft und auf Wiederseh´n!“
p.s.: Ben Weiser hat gestern auf ZackZack eine tolle Recherche veröffentlicht. Sie erzählt von russischen Oligarchenjets und österreichischen Banken und passt damit ideal in die österliche Besinnlichkeit.