Samstag, Juli 27, 2024

Geplatzte Falschmeldungen und Nehammers Back Bone

Nach der – nicht rechtskräftigen – Kurz-Verurteilung ist gestern der nächste ÖVP-Gegenschlag in die Hose gegangen. Gleichzeitig holt Nehammer eine weitere Affäre ein: die dubiose COFAG-Förderung für seinen Bruder.

Ich glaube, es ist Zeit für ein kleines Geständnis: In großen Korruptionsfällen arbeiten Strafjustiz und Parlament zusammen. „Eurofighter“ war ein derartiger Fall. Dort fand ich gegen Ende des ersten Untersuchungsausschusses eine entscheidende Spur. Sie führte zu einer Firma in der Dover Street in London. Sie hieß „Vector Aerospace“. Mit ihr wurde aus einer Geschichte eine Affäre.

Nachdem der erste Staatsanwalt alles vergeigt und sich lächerlich gemacht hatte (nein, ich schreibe nicht, wie er heißt und warum er nach wie vor den Beruf „ausübt“) übernahm 2011 ein junger Staatsanwalt namens Michael Radasztics. Über die Jahre habe ich ihm immer wieder meine Recherche-Ergebnisse übermittelt. Manchmal haben wir auch telefoniert. Dabei ist es gelegentlich zur Verwendung des Handtelefons gekommen.

Der machte sich schnell Feinde, weil er ohne Rücksicht auf Parteien und Geldkoffer ermittelte. Die Feinde saßen ganz oben, im Justizministerium und in der Oberstaatsanwaltschaft Wien.

Sie verfolgten ein doppeltes Ziel: das Eurofighter-Strafverfahren und den Staatsanwalt „daschlogn“. Dafür benützten sie Instrumente.

Am Freitag habe ich hier geschildert, wie das alles letztlich in die Hosen des Justiz-Generalsekretärs und des Chefs der Oberstaatsanwaltschaft Wien gegangen ist. Ersterer ist inzwischen unter dubiosen Umständen verstorben. Letzterer treibt nach wie vor sein Wesen in der Wiener Strafjustiz.

Falschaussage verschwunden

Kaum war meine Geschichte über den doppelten Rufmordversuch am früheren Staatsanwalt und jetzigen Kurz-Richter Radasztics draußen, drückte der ÖVP-Mann in der „Kronen Zeitung“ eine schnelle Geschichte ins Blatt. Die Schlüsselpassage lautete: „Offenbar hat Pilz eine Falschaussage getätigt, allerdings ist im konkreten Fall die Verjährung schon eingetreten“.

Offenbar musste es Freitagabend ganz schnell gehen. Der ÖVP-Mann hatte keine Zeit, von mir eine Stellungnahme einzuholen. So wurden Krone-Chefredaktion und ich mit einer Reihe von Falschmeldungen überrascht.

Der Satz ist inzwischen verschwunden. Eine weitere Unwahrheit steht nach wie vor auf „krone.at“: „Wie man jetzt weiß, haben Radasztics und Pilz rund 1,5 Stunden bevor die parlamentarische Anfrage abgeschickt wurde miteinander telefoniert“. Auch das ist falsch.

Der Redakteur hat Standortdaten des Radasztics-Handys mit Verbindungsdaten verwechselt. Das zeigt sich an einem Detail: Im selben Überwachungsprotokoll finden sich zwei Einträge „Radasztics – Pilz“ für die Zeit, in der ich am 20. Dezember 2018 zur Einvernahme im Zimmer des Staatsanwalts gesessen bin. Wir haben im Radasztics-Zimmer nicht miteinander telefoniert, sondern normal gesprochen. Das Protokoll vermerkt nicht die Adresse der Staatsanwaltschaft, sondern den Standort der Funkzelle: „Universitätsstrasse 11“.

Der „Krone“-Redakteur könnte damit beweisen, was ich nie bestritten habe: dass ich bei der Einvernahme durch den Staatsanwalt bei eben diesem war. Das behauptete „Telefonat“ zeigen nur eines: dass er das Überwachungsprotokoll nicht verstanden hat. Ein Anruf bei mir hätte genügt.

Das Oberlandesgericht Wien hat übrigens längst festgestellt, dass die Erhebung dieser Daten durch die Staatsanwaltschaft Eisenstadt illegal war.

Schnell reagiert

Man muss der „Kronen Zeitung“ zugutehalten, dass bei Bekanntwerden der Falschmeldungen sofort reagiert wurde. Meine Stellungnahme wurde zumindest auf „krone.at“ gebracht, die wichtigste Falschmeldung wurde entfernt.

Mein Lieblingssatz steht zum Glück noch in der „Krone“: „Peter Pilz hatte die private Handynummer des Staatsanwalts“. Gerhard Jarosch machte sich als ehemaliger Sprecher der Staatsanwälte darüber auf „Twitter“ gekonnt lustig: „Die meisten Staatsanwälte haben kein Diensthandy. Peter Pilz hat etwa auch meine private Nummer. Und ein paar hundert andere auch…“

Nervosität in ÖVP

Ein ähnlicher Versuch im gestrigen „Kurier“ deutet darauf hin, dass die Nervosität wieder groß ist. In der ÖVP ist unklar, wie man mit den strafrechtlichen Problemen von Sebastian Kurz umgehen soll. Kann man die Luft anhalten und durchtauchen, wie es Karl Nehammer kurz versucht hat? Oder ist es besser, wie gewohnt um sich zu schießen, solange man noch Journalisten hat, die sich jede Munition in den Lauf schieben lassen?

Es gibt viele Gründe, nervös zu sein. Die großen, unangenehmen Strafprozesse kommen auf die ÖVP erst zu. Wenn es um Inseratenkorruption, Beinschab-Tool und die Fellner-Brüder geht, könnte aus der „Beschuldigten ÖVP“ schnell die „Angeklagte ÖVP“ werden. Wenn die Bundespartei nach dem Verbandsverantwortlichkeitsgesetz angeklagt wird, wer sitzt dann für sie auf der Anklagebank? Karl Nehammer als Parteichef? Christian Stocker als Generalsekretär?

Dann kommen die Eurofighter-Prozesse. Christian Pilnacek, Hans Fuchs und Patricia Frank haben sie nicht „daschlogn“ können. Die entscheidende Eurofighter-Partei war von Anfang an die ÖVP.

Nehammers Back Bone

Seit Samstag kommt eine weitere Affäre dazu. Die Werbeagentur des Nehammer-Bruders hat möglicherweise zu Unrecht hohe COFAG-Förderungen erhalten. Daniel Pilz hat das für ZackZack recherchiert. Inzwischen haben „Standard“, „Kurier“ und „APA“ die Geschichte übernommen.

Jan Krainer und Christian Hafenecker stellen erste Fragen für SPÖ und FPÖ. Krainer ortet „eine massive Überforderung des Nehammer-Betriebs“ und stellt fest: „Dass Gewinne mit Steuergeld gefördert werden statt Ausfälle, ist untragbar und unverantwortlich. In der Corona-Pandemie sollten Betriebe gefördert werden, um etwa Arbeitsplätze zu retten, aber nicht, um Gewinne auf Kosten der Steuerzahler:innen zu finanzieren!“

Nach der Veröffentlichung auf ZackZack haben sich neue Zeugen gemeldet. Damit wird es im Untersuchungsausschuss spannend: Warum hat die „Back Bone GmbH“ mehr als 164.000 Euro von der COFAG des ÖVP-Finanzministers kassiert? Der Umsatzeinbruch, der eine Förderung rechtfertigen würde, findet sich in den Bilanzen nicht. Das Nehammer-Unternehmen verdient prächtig – und lässt sich seine Gewinne durch COFAG um bis zu 50 Prozent erhöhen.

Wer hatte hier welche Hände im Spiel? Was wusste Karl Nehammer? Und: Wie wird die ÖVP jetzt um sich schießen?

Ich bin gespannt und wünsche einen schönen Sonntag.

p.s.: Übrigens habe ich auch die Handy-Nummer von “Krone”-Redakteur Christoph Budin.

p.p.s.: “Das ist halt mein Dienst- und nicht Privathandy…” Christoph Budins SMS, das gerade auf meinem Handy eingelangt ist, zeigt zweierlei: dass die “Krone” besser auf ihre Redakteure schaut als das Justizministerium auf seine Staatsanwälte; und dass sich Budin sein Maß an Ironie bewahrt hat.

Link: Nehammers Back Bone GmbH

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

117 Kommentare

117 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Die Ergebnisse der Pilnacek-Kommission

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!