Donnerstag, September 12, 2024

Sicherheitsrisiko „Kickl“, Teil 2: Jagd auf die Ermittler

Wer ermittelt gegen die Rechtsextremisten im Umfeld der FPÖ? Das wollten Kickls Vertrauensmänner im Innenministerium Anfang 2018 herausfinden. Im BVT wusste man, was das bedeutete: Lebensgefahr für die eigenen Ermittler. Teil 2 einer ZackZack-Serie über den gefährlichsten Innenminister Europas.

Herbert Kickl war erst seit kurzem Innenminister, als die SPÖ am 30. Jänner 2018 den Nationalen Sicherheitsrat „NSR“ einberief. Von „Burschenschaften“ bis zur „Liederbuch-Affäre“ des niederösterreichischen FPÖ-Chefs Udo Landbauer ging es nur um Themen, die für die FPÖ und ihren Innenminister unangenehm waren. Aber sie boten auch eine unerwartete Chance.

Kickls Generalsekretär Peter Goldgruber nützte sie und lud am Tag davor BVT-Direktor Peter Gridling in sein Büro. Dort erteilte er ihm unter dem Vorwand, den NSR für den Minister vorbereiten zu müssen, drei Aufträge. Alle drehten sich um ein Thema: „REX“, wie „Rechtsextremismus“ im BVT abgekürzt wird. Goldgruber wollte wissen:

  • Welche Burschenschaften waren zwischen 2012 und 2017 Gegenstand von Ermittlungen?
  • Gab es in dieser Zeit Ermittlungen gegen Personen, die Mitglieder einer Burschenschaft sind?
  • Wo wurden im Bereich REX verdeckte Ermittler eingesetzt?

Der BVT-Direktor und Kickls Generalsekretär wussten: Die Fragen hatten nichts mit dem bevorstehenden Sicherheitsrat zu tun. Goldgruber versuchte offensichtlich, für seinen Minister und dessen Partei alles, was ihnen aus Rechtsextremismus-Ermittlungen drohen könnte, auszukundschaften.

Lebensgefahr für Ermittler

Bei der Beantwortung zeigte sich, dass die Gefahr ganz konkret war: Von Frage 2 war die Verbindung „Vandalia“ betroffen. Ihre prominentesten Mitglieder hießen Johann Gudenus und Heinz- Christian Strache, der bei Vandalia-Treffen den Namen „Heinrich der Glückliche“ führte.

Gridling beschrieb im BVT-Untersuchungsausschuss seine Notlage: Wenn er den Auftrag des Generalsekretärs erfüllt hätte, wären verdeckte Ermittler in der rechtsextremen Szene in Lebensgefahr geraten. Der BVT-Direktor beschloss, sie vor der Partei seines Ministers zu schützen.

Als Leiterin des Referats „REX“ erstellte Sibylle Geißler einen Entwurf: „Seitens des BVT wurden bisher verdeckte Ermittler in den Bereichen der neonazistischen ideologisierten Szene, Skinhead Blood and Honour und Rechtsextremismus Hooliganismus eingesetzt.“ Gridling verriet dem Generalsekretär keinen einzigen Namen und gab so sparsam Auskunft, dass weder Beamte noch Ermittlungen gefährdet wurden.

Goldgruber hatte sein Ziel nicht erreicht. Kickls FPÖ wusste nach wie vor nicht, welche Beamten in der Braunzone ihrer Partei ermittelten und was in den Aktenordnern des Verfassungsschutzes gegen die Spitzen der Partei vorlag. Die Leiterin des Extremismusreferats konnte ihre Arbeit fortsetzen. Doch die Gefahr war noch nicht gebannt. Die FPÖ hatte ein Ziel und wollte es mit allen Mitteln erreichen. Dazu brauchte sie die Staatsanwältin der WKStA.

Der Sturm auf das BVT

Für einige in der FPÖ ermittelte Staatsanwältin Ursula Schmudermayer zu zögerlich. Goldgruber fand einen Weg, das Verfahren scharf zu machen: Er lieferte „Zeugen“ und versorgte dazu die Staatsanwältin mit vier aussagebereiten Personen. Eine davon war Martin Weiss, der BVT-„Führungsoffizier“ von Egisto Ott. Das Ziel schien klar: Mit ihren Aussagen sollten sie den nächsten Schritt erzwingen – die Hausdurchsuchung im BVT.

Für den Sturm auf das BVT suchte Goldgruber einen verlässlichen Anführer. Die Kriminalpolizei galt als ÖVP-nahe und damit politisch unzuverlässig. Der Generalsekretär entschied sich für Polizeioberst Wolfgang Preiszler. Der FPÖ-Gemeinderat aus Guntramsdorf bei Wien sollte an der Spitze von Beamten der EGS, der „Einsatzgruppe zur Bekämpfung der Straßenkriminalität“, in das BVT eindringen. Goldgruber musste wissen, dass die Drogenpolizisten der EGS mit ihren Methoden gegen Straßendealer für die Hausdurchsuchung im BVT sachlich nicht die erste Wahl waren. Aber am 28. Februar 2018 ging es nicht um sachliche, sondern um politische Verlässlichkeit.

Aktion „Küssel“

Am Morgen des 28. Februar 2018 stürmte die EGS das BVT. Die Beamten hatten den Auftrag, so viel wie möglich mitzunehmen. Der Auftrag wurde erfüllt.

Büros wurden durchkämmt, Datenträger wahllos in Plastiksäcke gepackt und abtransportiert. Nur in einem Büro wurde gezielt gesucht: im Extremismusreferat von Sibylle Geißler. Der Standard zitierte aus der Befragung von Geißler im „rot-blauen Machtmissbrauch-Untersuchungsausschuss“ im April 2024: „So habe sich auf Geißlers Schreibtisch der Ausdruck einer E-Mail gefunden, in der Küssel einige Personen zu einer Veranstaltung eingeladen habe. Auf diesem Verteiler habe sich auch Preiszler befunden.“ Der Standard berichtete weiter: „Als sie später ihr Büro aufgeräumt habe, sei das Dokument nicht mehr da gewesen.“

Gottfried Küssel – das ist noch heute einer der Anführer im militanten Bereich der österreichischen Neonazis. Mit Geißlers Aussage standen Preiszler und seine Mitstürmer im Verdacht, dass sie belastendes Material gegen den FPÖ-Einsatzleiter verschwinden hatten lassen.

„Neptune“ – das große Leak

Büros wurden durchkämmt, Datenträger wahllos in Plastiksäcke gepackt und abtransportiert. Bis heute weiß niemand, ob alles oder fast alles bei der WKStA gelandet ist. In den Wochen nach der Hausdurchsuchung lief die Auswertung der sichergestellten Datenträger langsam an. Erste Datenträger wurden dem BVT zurückgestellt.

In den Plastiksäcken, in die Kickls Beamte bei ihrem Sturm auf das BVT wahllos Datenträger gestopft hatten, fanden sich neben einem „Rocky 2“-Video:


• 7 hoch verschlüsselte „SINA“-Boxen
• 1 Data Write Neptune 3.1
• 1 Neptune 3 IP confidential
• 1 Neptune 3 IP Installation Disk 3.2

Die Ermittler der WKStA begannen mit der Aufarbeitung. Niemandem fiel auf, wie brisant der Inhalt der Plastiksäcke war. Niemand in der WKStA wusste, was sich hinter „Neptune“ verbarg.

Dazu mehr am Dienstag in Sicherheitsrisiko „Kickl“ Teil 3: Neptune-Alarm im BVT.


Das Buch zur Kickl-Serie gibt es hier im Zack-Shop.

Hier lesen Sie das Sicherheitsrisiko “Kickl” Teil 1: Aufräumen für die FPÖ

Titelbild: Christopher Glanzl / ZackZack

Autor

  • Peter Pilz

    Peter Pilz ist Herausgeber von ZackZack.

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