Samstag, Juli 27, 2024

»Grüner Pass«: Eine Chronologie der leeren Versprechungen

»Grüner Pass«:

Ende Februar kündigte Bundeskanzler Sebastian Kurz zum ersten Mal den digitalen “Grünen Pass” für Österreich an. Seitdem wurde der Starttermin nicht nur einmal verschoben. Eine Liste der Regierungsversprechungen für jene, die den Überblick verloren haben.

Wien, 07. Juni 2021 | Eigentlich sollten wir den digitalen „Grünen Pass“ bereits seit letztem Freitag mit uns führen und damit belegen können, dass wir geimpft, genesen oder getestet sind. Zuerst für April angekündigt, verzögerte sich der QR-Code fürs Smartphone wieder und wieder. Eine Liste der leeren Versprechungen der Regierung:

Februar – Erste Ankündigung

Wir schreiben den 21. Februar, als Israel als erstes Land weltweit den “Grünen Pass” einführt. Eine knappe Woche nach dem Start fordert auch Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) einen solchen digitalen Nachweis in der EU. Auch wenn ein solches EU-Impfzertifikat zu dieser Zeit bereits längst in Planung ist, will Kurz sich das Projekt selbst auf die Fahne heften und kündigt eine Woche später, am 26. Februar, an, den Pass notfalls auch im Alleingang umsetzen zu wollen.

März – Ausflug zu Freund Bibi

Gemeinsam mit der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen reist Kurz Anfang März zu seinem Freund und Vorbild Bibi Netanjahu, um sich neben einer Impfstoffkooperation selbst ein Bild von der Funktionalität des “Grünen Passes” zu machen.

Bild: AFP

“Wir wollen nicht auf die Umsetzung auf EU-Ebene warten”, prescht Kurz dann am 17. März vor. Der damals von der EU angeführte Starttermin am 1. Juni (auch dieser wurde nicht eingehalten) dauert dem Kanzler zu lange. Man wolle den Pass hierzulande bereits “im April” einführen, an einer gesetzlichen Grundlage dafür würde bereits gearbeitet werden. Auch Tourismusministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) sprach damals von einem “erfolgreichen österreichischen Vorstoß”.

Ende März verspricht auch Rudolf Anschober (Grüne), damals noch Gesundheitsminister, eine “flächendeckende” Einführung des Grünen Passes bis Ende April. Allerdings nur, was die Nachweise für Getestete und Genesene betrifft, der Impfnachweis solle dann im “Laufe des Juni” kommen.

30. März 2021: Der Bundesrat blockiert die für die Umsetzung des Zertifikats benötigte Änderung des Epidemie- und Covid-Maßnahmengesetzes. Für die nächsten drei Wochen sind der Regierung dadurch die Hände gebunden. Stimmen, wonach der Start wohl nicht vor dem Sommer erfolgen dürfte, werden daraufhin lauter.

April – Kurz sagt Mai, Mückstein Juni

Da die Blockade des Bundesrates am 24. Mai ausläuft, nennt Kurz am Dienstag, den 20. April, einen neuen Zeitraum: Der Pass soll Ende Mai seine Premiere in Österreich feiern. Doch bei diesem Termin sind sich nicht einmal alle Regierungsmitglieder einig. Der damals noch frischgebackene Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) rudert noch am selben Tag zurück, die Frage nach dem Pass “stelle sich für ihn angesichts der aktuellen Lage auf den Intensivstationen noch nicht.” Ein derartiges Pilotprojekt in Österreich würde „wahrscheinlich im Juni“ fertig sein.

Ende April dann die nächste große Ankündigung. Am 19. Mai sollen bundesweite Lockerungen in Kraft treten. Zeitgleich mit diesen soll dann auch endlich der lang erwartete Nachweis zur Verfügung stehen. Doch ab da herrscht Verwirrung um den Begriff “Grüner Pass”. Da die technische Umsetzung noch nicht steht, soll er zunächst lediglich bedeuten, dass man sich mittels normaler Testbestätigung, Genesungsbescheid oder Impfpass in Papierform Zutritt zu Gastro, Fitnessstudio und Co. verschaffen kann. Eine einheitliche Lösung gibt es zu dieser Zeit noch nicht. Erst in der dritten Etappe eines vorgestellten Plans soll dann die einheitliche digitale Form kommen, die auf die EU-Vorgaben abgestimmt ist. “Anfang Juni” wird als Start für diese genannt.

Mai – neuer Termin: 04. Juni

19. Mai 2021: Der große Tag der Öffnungen ist gekommen. Der digitale Pass via QR-Code soll nun – diesmal wirklich – am 4. Juni eingeführt werden. Teile der Opposition raten der Regierung bereits, die teure nationale Lösung abzublasen. Soll doch die EU-Lösung schon Anfang Juli fertig sein und die österreichische Variante damit hinfällig werden. Auch heimische Datenexperten, die die weltweiten Pläne eines solchen Systems schon seit Anfang der Pandemie beobachten und kritisieren, machen sich für ein Ende des “Grünen Passes” in Österreich stark.

31. Mai. 2021: Viele hat es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr überrascht – auch der 4. Juni wird nicht halten. Die EU habe kurzfristige Änderungen an den technischen Voraussetzungen durchgeführt, was diese kurz darauf dementiert. Es scheint, als ob die Regierung nur die Schuld der EU in die Schuhe schieben will. Die technische Umsetzung wird sich jedenfalls um eine weitere Woche, auf den 11. Juni, verzögern.

Juni – wie geht’s weiter?

Am heutigen Montag wurde bekannt, dass der Pass Ende der Woche nun wirklich starten soll, allerdings vorerst noch nicht für Geimpfte. Die ersten Zertifikate mit EU-konformen QR-Codes können für genesene und getestete Personen Ende dieser Woche digital erstellt und abgerufen werden.

Für Geimpfte soll die Umsetzung in einem “nächsten Schritt” erfolgen, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsressorts. Ein konkretes Datum dafür wurde nicht genannt. Das Gesundheitsministerium stellte dazu jedoch klar, dass ein digitaler Nachweis der Impfung bereits jetzt mit Handysignatur oder Bürgerkarte aus dem elektronischen Impfpass unter www.gesundheit.gv.at erstellt und heruntergeladen werden kann.

Was halten eigentlich die Österreicher vom “Grünen Pass”? ZackZack hat sich bereits Ende April bei ihnen umgehört. Das Video dazu sehen Sie hier.

(mst)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Markus Steurer

    Hat eine Leidenschaft für Reportagen. Mit der Kamera ist er meistens dort, wo die spannendsten Geschichten geschrieben werden – draußen bei den Menschen.

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