Neubau-Bezirkschef Reiter über Benkos Shoppingpalast
Benko will seinen Mahü-Shoppingpalast höher bauen, zögerte aber mit einer Vereinbarung für den öffentlichen Dachpark. Im politischen Fokus stehen die regierenden Grünen. Jetzt spricht Bezirkschef Reiter und erklärt, was er vom Projekt hält.
Wien, 02. November 2021 | ZackZack berichtete: Die Bauverhandlung für das Wiener „KaDeWe“ (angelehnt an das Berliner Pendant, Anm.) auf der Mariahilferstraße geht aller Kritik zum Trotz in die finale Runde. René Benkos Signa-Gruppe will das neue Warenhaus höher bauen, als die Widmung es eigentlich vorsieht. Für den Immo-Tycoon wäre das eine enorme Wertsteigerung.
Objekt der Begierde – und der Kritik. In der Mariahilferstraße 18 wird die Ruine des alten Leiner-Hauses zum Shoppingpalast von René Benko. Foto: APA.
Benko braucht für eine erfolgreiche Bewilligung nach Paragraf 69 der Bauordnung nur die Grünen. Die vereinen im Bauausschuss des 7. Bezirks 50 Prozent der Stimmen auf sich. Das Projekt ist umstritten: Laut “Krone” soll es auch eine Anzeige bei der WKStA gegeben haben, bei der u.a. die Beziehung Benkos zum Ex-Grünen Planungsstadtrat Christoph Chorherr thematisiert worden sein soll.
Bezirkschef Markus Reiter, der in der Wettbewerbsjury saß, stimmte für das Projekt. Für Wirbel sorgte auch seine Teilnahme am Benko-Event Törggelen. Reiter wehrt sich und sagt: „Benko wird behandelt wie alle anderen“. Das wirtschaftliche Konzept der Signa sei zu hinterfragen, das Projekt aber habe sich in einem transparenten Prozess gegen andere durchgesetzt.
ZackZack: Herr Reiter, am 8. November entscheidet der Bauausschuss in Wien-Neubau, wie es mit Benkos Shoppingpalast weitergeht. Sie pochen darauf, dass der öffentliche Zugang zum Dachpark mit einem Servitut im Grundbuch verankert wird. Gibt es Bewegung in der Sache?
Markus Reiter: Ja. Der Bezirksbauausschuss prüft gerade. Dem voraus gegangen sind Gutachten durch die Stadt. Das heißt, die Stadt hat dem Ausschuss das Projekt geliefert, nicht um das ganze Projekt zu hinterfragen, sondern das, was in der Zuständigkeit des Bauausschusses liegt: die Abweichungen im Rahmen des Bebauungsplans. Es ist ein so komplexes Projekt, dass die Prüfung dementsprechend Zeit braucht. Der zweite Punkt ist der Dachpark, das war uns von Anfang an ein Anliegen. Dieser soll öffentlich zugänglich bleiben, und zwar auch für den Fall, dass der Komplex einmal verkauft wird. Ich bin informiert worden, dass die Firma Signa einen Vertragsentwurf für die Grundbucheintragung an die Stadt geschickt hat. Und ich hoffe, dass die Stadt das dann entsprechend bald absegnet und die Sache beschlussreif werden kann.
ZZ: Sie sagen, die Signa hätte mit der Stadt zunächst vereinbart, lediglich einen Vermerk im Bauakt zu verankern. Das reiche Ihnen nicht. Wem vertrauen Sie weniger: der Signa oder der Stadt?
MR: Ich vertraue dem Recht. Ich möchte das stärkste Recht haben, damit der Dachpark bei einem Eigentümerwechsel weiterhin öffentlich zugänglich bleibt. Das ist für mich der Kernpunkt. Wenn man es politisch betrachten möchte, bedeutet das stärkste Recht de facto eine dauerhafte Übertragung in die öffentliche Nutzung.
Markus Reiter mit ZackZack-Vizechefredakteur Benjamin Weiser. Foto: zVg.
Geboren 1971 in Gmunden, Oberösterreich; verheiratet, Vater dreier Kinder.
Studium der Sozialwirtschaft an der JKU Linz und an der WU Wien, Auslandsaufenthalt an der Justus-Liebig-Universität Gießen, Deutschland.
Seit 2017 Bezirksvorsteher von Wien Neubau; 2001 Bezirksrat für die Grünen und seit 2006 Vorsitzender der Sozial- und Generationenkommission in Wien Neubau; vormals Geschäftsführer und Mitbegründer von neunerhaus – Du bist wichtig.
ZZ: Sie selbst sitzen nicht im Bauausschuss, sind aber als Bezirksbürgermeister mächtig genug, um Druck zu machen. Was empfehlen Sie Ihren Grünen Kolleginnen im Ausschuss?
MR: Da muss ich ganz klar sagen: der Bauausschuss hat als Behörde unabhängig zu agieren. Ich halte mich aus diesem Entscheidungsprozess des Bauausschusses deshalb ganz bewusst raus. Die Grüne Fraktion diskutiert das unter sich. Ich bin, das muss ich ja nicht verleugnen, Anfang 2019 damit konfrontiert worden, dass es für das Warenhaus einen neuen Eigentümer geben wird. Das wurde auch medial begleitet. Ich hatte das zu akzeptieren. Als ich vom Vorhaben der Signa, das Warenhaus zu erneuern – und zwar an einem Standort, an dem es seit 150 Jahren ein Warenhaus gibt – erfahren habe, war es mir wichtig, die Interessen des Bezirks und der Anrainer proaktiv einzubringen. Das ist meine Rolle als Bezirksvorsteher. Ich bin nicht Baubehörde und habe in dem Sinne auch keine Entscheidungskompetenzen. Ich kann nur proaktiv Einfluss nehmen auf die Projektentwicklung. Das habe ich getan.
ZZ: Das Projekt wird als ökologisches Vorzeigeprojekt beworben, es soll einen großen Dachpark geben. Reicht das? Die SPÖ beklagt einen von den Grünen abgelehnten Antrag, der sich gegen die Erhitzung befördernde Glasfassade richtete.
MR: Ich hatte das Gefühl, dass das ein bisschen mit Wahlkampf zu tun hatte. Man muss schon sehen, dass es bei dem Warenhaus um zwei wesentliche ökologische Punkte geht. Nämlich einerseits das Energiekonzept. Das hat Signa geliefert. Das Haus wird an die Fernkälte angeschlossen, das heißt, die Abkühlung erfolgt über die Fernkältezentrale. Wir wissen, dass das bezüglich des CO2-Abdrucks das beste Modell ist. Das Zweite ist: ein Warenhaus braucht eine entsprechende Durchlichtung, auch um die Waren präsentieren zu können. Deshalb gibt es ja bei Warenhäusern Glasflächen. Der Sieger des Architekturwettbewerbs, das Büro O.M.A. von Rem Koolhaas, hat sich deshalb dafür entschieden, massiv in eine begrünte Dachfläche und einen neu geschaffenen begrünten Durchgang zu investieren. Alleine mit dem 1000qm-Dachpark, aber auch mit anderen Flächen, glaube ich, hat man das gut hinbekommen.
ZZ: Benkos Geschäftsmodell beruht laut kritischen Recherchen vor allem auf Wertsteigerungen. Je höher das KaDeWe, desto mehr verbuchter „Gewinn“ für die Signa. Öffentlich betont das Unternehmen den „demokratischen Charakter“ des Projekts. Nimmt Benko die Stadt zur Geisel, wenn er im Nachhinein „Abweichungen“ des ursprünglichen Plans fordert?
MR: Erstens einmal ist es ein kapitalistisches Projekt. Eingangs habe ich ja erwähnt, dass ich zu akzeptieren habe, dass es in diesem Land Eigentümer gibt. Oder ein Unternehmen ein anderes kauft und dann etwas entwickelt. Ich habe aber im Vergleich zu vielen anderen Investorenprojekten dieser Stadt von Anfang an klargestellt, dass man sich an dem schon zwanzig Jahre bestehenden Bebauungsplan zu halten hat. Das hat man getan. Innerhalb dieses engen Rahmens haben sie (die Signa, Anm.) das genutzt, was allen in dieser Stadt gemäß der Wiener Bauordnung zugänglich ist. Nämlich diese kleinen Abweichungen zu beantragen. Genau das ist jetzt Gegenstand der Prüfungen des Bauausschusses.
Die Signa Holding GmbH ist ein österreichisches Immobilien- und Handelsunternehmen, dem u.a. das Berliner KaDeWe, die Galeria Karstadt Kaufhof oder auch das New Yorker Chrysler Building gehören. Zudem hält die Signa Anteile an “Krone” und “Kurier”. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 von Investor und Kurz-Freund René Benko gegründet, der sich 2013 aus der operativen Unternehmensführung zurückzog. Vorausgegangen war eine Verurteilung Benkos wegen “versuchter verbotener Intervention”. Seitdem ist er Vorsitzender des Beirates, gilt aber immer noch als der Kopf des Unternehmens.
Kritische Recherchen von “Bloomberg” zu Benkos Geschäftsmodell sorgten für Aufsehen, ebenso eine Doku des WDR. Der Immo-Tycoon, dessen Signa Holding finanziell weit weniger rosig dastehe, als öffentliche Auftritte suggerieren würden, greife auf „dubiose Geldgeber zurück“, heißt es dort. Laut Experten vermeide er Steuern, „wo er kann“. Eine kritische ZackZack-Recherche zu mutmaßlicher politischer Intervention zugunsten Benkos beantwortete die Signa mit einer Millionenklage. Rechtsexperten sprechen von einer Einschüchterungsklage.
ZZ: Nach all dem Wirbel um die Änderungspläne der Signa: Würden Sie sich heute wieder für das Benko-Projekt aussprechen oder war das im Nachhinein betrachtet ein Fehler? Sie saßen ja damals in der Wettbewerbsjury.
MR: Man muss hier klar auseinanderhalten: Auf der einen Seite die Firma Signa, deren Eigentümerstruktur und das mehr als hinterfragenswürdige wirtschaftliche Konzept. Stichwort Aufwertungen, wie Sie es angesprochen haben. Am kommenden Freitag kommt mein Gegenüber aus der Grünenhochburg Berlin, Florian Schmidt (Bau-Bezirksstadtrat in Kreuzberg, Anm.), auf meine Einladung hin im Rahmen einer Buchpräsentation nach Wien. Er hat ein aktuelles Buch geschrieben, in dem es um das Thema Rekommunalisierung und Vorkaufsrechte für die öffentliche Hand geht. Schmidt hat vor Ort eine Auseinandersetzung rund um ein Warenhausprojekt mit Signa. Da bin ich schon gespannt darauf, was er erzählen wird.
Das andere ist, dass ich von Anfang an klargestellt habe: Es gibt keine Extrawurst für Signa! Er (Benko, Anm.) wird behandelt wie alle anderen. Seit 150 Jahren hat es an dieser Stelle der Mariahilferstraße nie etwas anderes gegeben als ein Warenhaus, auch in dieser Höhe. Die entsprechenden Gutachten haben das herausgearbeitet. Wir Grüne haben uns zudem immer schon zum stationären Handel und der Entwicklung der Mariahilferstraße bekannt. In diesem Sinne war es auch wichtig, dass es einen Architekturwettbewerb gibt, der transparent verläuft. Das heißt, es sind alle Wettbewerbsbeiträge in einer mehrwöchigen Ausstellung veröffentlicht worden. Klar, vielleicht hätten noch mehr Wettbewerber zu einem anderen Ergebnis geführt. Schlussendlich wüsste ich aber nicht, was man hätte besser machen können.
ZZ: Welche Großprojekte in ihrem Bezirk sind denn noch von einer solchen Relevanz?
MR: Stichwort Sophienspital, also das ehemalige Spitalsareal an der Grenze zum Westbahnhof mit diversen alten Pavillons und einem markanten Neubaugebäude entlang des Gürtels. Hier habe ich mich durchgesetzt, dass das im Eigentum der Stadt bleibt. Das konnten wir noch unter Rot-Grün vereinbaren, also 160 Wohnungen gemeinnütziger Wohnbau und 50 Gemeindebauwohnungen sowie Kultur- und Bildungseinrichtungen schaffen. Da hat es genug Investorendruck gegeben! Dementsprechend stolz bin ich darauf.
ZZ: Vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Benjamin Weiser
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Ankündigung: Am Freitag, um 19 Uhr im Wiener Architekturzentrum stellt der Berliner Grünen-Politiker Florian Schmidt sein Buch „Wir holen uns die Stadt zurück: Wie wir uns gegen Mietenwahnsinn und Bodenspekulation wehren können“ vor. Ein Diskussionsabend mit: Florian Schmidt, Buchautor und Bezirksstadtrat, Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg; Markus Reiter, Bezirksvorsteher, Wien Neubau.
Moderation: Franziska Leeb, Architekturpublizistin. Wann: Freitag, den 5. November 2021, 19 Uhr. Wo: Architekturzentrum Wien im Museumsquartier, Podium, Museumsplatz 1, 1070 Wien. Anmeldung unter: +43 1 4000-07110 oder post@bv07.wien.gv.at
Bitte um Mitnahme eines 3G-Nachweises.
Titelbild: APA Picturedesk