Die BMI-Chats zeigen: Wolfgang Sobotka ist als Innenminister der Herr der schwarzen Parteibücher. Aber manchmal geht es nicht um verdiente Funktionäre der ÖVP, sondern um Neffen und Schwager. Und um dringende Wünsche von Finanzminister Schelling und Sobotka-Vorgängerin Mikl-Leitner.
Wien, 09. Februar 2022 | Es kommt nicht immer aus der Partei selbst. Manchmal hat auch ein Ministerkollege einen Wunsch. M., mutmaßlicher Wirtschaftskammer-Funktionär, hat sich an Finanzminister Hans Jörg Schelling gewandt: Servus Hansi, Gestern hast gut getanzt, vielleicht kann die Polizeivertretung nach deiner Melodie tanzen und meinen Schwager Bernhard H. nach St. Pölten versetzen. Zur Zeit sind Versetzungen Möglichkeit. (sic!)
Der tanzfreudige Finanzminister informiert seinen Generalsekretär Thomas Schmid per SMS über den Versetzungswunsch des Schwagers von M. Schelling ahnt, dass Schmid den besten Draht ins Innenministerium hat. Er diktiert Schmid in Großbuchstaben: KÖNNEN WIR HIER HELFEN? Hans Jörg. Schmid wiederum erinnert Innenministerin Mikl-Leitners Kabinettschef Michael Kloibmüller an den Ministerwunsch und leitet die Nachricht entsprechend weiter. Die Telefonnummer von Reinhard Z., einem mächtigen schwarzen Polizei-Gewerkschafter, liegt vorsorglich gleich bei.
(Faksimile ZackZack)
Knapp zwei Minuten später beauftragt Kloibmüller Kabinetts-Mitarbeiter Andy A.: Bitte dringend umsetzen!!!!!!! Wunsch Schelling lg m. Die sieben Rufzeichen sollen A. wohl klarmachen, dass der Wunsch des Kabinettschefs höchste Priorität hat. Als Versetzungsgrund reicht offenbar der Name des Ministers.
(Faksimile ZackZack)
A. sieht eine Möglichkeit, von der erfolgreichen Intervention selbst zu profitieren: Ok, gebe ich ein. Hoffentlich nützt es uns. LG Andy.
Die Schmid-Schelling-Intervention hat für die Ermittlungen der WKStA eine besondere Bedeutung. Seit der ehemalige Generalsekretär des Finanzministeriums und Ex-ÖBAG-Chef als zentraler Beschuldigter im CASAG-Verfahren geführt wird, verfolgen die Staatsanwälte jede Spur zu weiteren Interventionen – für Schmid gilt die Unschuldsvermutung. Schmid ließ uns bereits vor Monaten über seinen Anwalt wissen, er äußere sich grundsätzlich nicht öffentlich. Ganz anders Ex-Minister Schelling: Er, Schelling, habe „dazu keine Wahrnehmung bzw. nach 5 Jahren kann ich mich an den Fall wirklich nicht erinnern.“ Ob die Versetzung des Schwagers stattgefunden habe, wisse er nicht.
Mit den Chats, die ZackZack vorlegt, führt die Schmid-Spur aus der Kurz-Zone in Finanzministerium und ÖBAG ins schwarze Zentrum: in das Innenministerium rund um Kabinettschef Kloibmüller und seiner damaligen Ministerin Johanna Mikl-Leitner.
„Der Kerl muss arbeiten!“
Ein anderes Mal geht es um einen Neffen. Am 17. Mai 2016 regiert Johanna Mikl-Leitner als Landeshauptfrau in ihrem ersten Monat in Niederösterreich. An diesem Tag wendet sie sich an „Kloibi“ und A. im Kabinett von Innenminister Wolfgang Sobotka: Hi, mein Neffe Clemens S. bewirbt sich für Ferialpraktikum im BMI/Juli und August. Spät, sehr spät…..der Kerl muss arbeiten!!!!
Im Jahr davor hat es Mikl-Leitner als Innenministerin mutmaßlich noch selbst für ihren Neffen im Bundeskriminalamt richten können: War voriges Jahr im BK. Geht auf FH Schule in Wien. Netter Kerl, der gefordert werden muss. Nebenbei bewirbt sich der Neffe auch offiziell: Bewerbung geht auch offiziell über E. Franz E. ist als Leiter der Präsidialsektion im Innenministerium auch für Personal zuständig. Aber auf „Kloibi“ und A. scheint man in Niederösterreich zu bauen: Verlass mich auf euch. Hanni ml.
(Faksimile ZackZack)
„Wird intervenieren wollen“
Die meisten Interventionen folgen einem einfacheren Muster. K. Michael ÖAAB Kärnten wird dich anrufen. Nummer hat er von mir. Wird vmtl wieder wegen einer Versetzung intervenieren wollen. Bitte nur in Absprache mit mir. Danke und lg. Das teilt der Kärntner Christgewerkschafts-Chef Reinhold Dohr Kloibmüller am 1. April 2016 mit. Für Kloibmüller ist alles klar: Ok. Wenn es eine Intervention des Finanzbeamten und ÖAAB-Landesobmanns gibt, muss der Wolfsberger Polizist und schwarze Gewerkschafter Dohr offensichtlich dabei sein. Es gibt viele schwarze Fäden. Kloibmüller scheint dafür zu sorgen, dass sie im Kabinett des Innenministers zusammenlaufen.
Dutzende weiterer Chats liefern dasselbe Bild: Ein Parteifreund schickt einen Namen und einen Wunsch, der Minister als schwarzes „Polizei-Familienoberhaupt“ sorgt dafür, dass sein Kabinettschef alles erledigt. „Ok“ ist oft die „Kloibi“-Standardantwort. So wachsen ÖVP, ÖAAB, Christgewerkschaft FCG-KdEÖ und die ganze Familie. Mikl-Leitner und Dohr gaben bis zum Erscheinen des Artikels keine Stellungnahme ab. Kloibmüller teilte mit, dass er zu Weisungen schon rein rechtlich nicht befugt gewesen sei. “Alle Anliegen wurden immer zur Prüfung und gegebenenfalls Umsetzung an die zuständigen Stellen übermittelt. Bei Nichtvorliegen von Voraussetzungen wurden sie nicht umgesetzt”, so Kloibmüller.
(pp/wb)
Update am 09.02., um 16:36 Uhr: Um Stellungnahme Klobmüllers ergänzt
Lesen Sie die bisherigen BMI-Chats:
BMI-Chats 1: Schwarze Netzwerke in der Justiz
BMI-Chats 2: »Fremdenrechtliche Knaller«
BMI-Chats 3: »Merk dir die Arschlöcher«
BMI-Chats 4: Wie ein ÖVP-Mann Verfassungsschutz-Chef wird
BMI-Chats 5: Der geplatze ORF-Deal: »Grüne sind umgefallen«
BMI-Chats 6: »Stopp den Vorgang, bis ich Klarheit habe!« – Sobotkas BMI-Chats jetzt bei WKStA
Titelbild: APA Picturedesk