Donnerstag, April 25, 2024

Medienkrise: Der lange Schatten des Sebastian Kurz

Kommentar

Österreichs Medienlandschaft müsste eigentlich vor einer Zäsur stehen. Doch abseits von Sobotka-Normalisierung rund um die Concordia-Preise und erzwungener ÖVP-Wirtschaftsbund-Aufdeckung tut sich nicht viel. Das könnte sich noch bitter rächen:

Benjamin Weiser

Wien, 30. April 2022 | Die von Ex-Kanzler Kern in den Raum gestellte Sobotka-Intrige ist nur auf ZackZack zu lesen. Ein Innenminister, der seinen eigenen Regierungschef bei einem fremden Premier sabotiert haben soll, ist den großen Tankern keine Meldung wert. Gleichzeitig ist jedes Erbrochene der türkisen Parteielite gegenüber der WKStA in irgendeiner größeren Tageszeitung zu lesen, meistens sogar in vielen.

Erzwungene Aufdeckung

Ist es abgebrüht oder zynisch, dass ich meiner Redaktion sage: Das ist doch gut, dann kommen die Leser zu uns? Die Sobotka-Geschichte zeigt immerhin, wie überschaubar die Konkurrenz bei kritischer Berichterstattung oft ist. Das ist wirtschaftlich gedacht nicht unwichtig für ein Medium wie ZackZack, das ohne Kanzler-Presseförderung und Regierungsinserate auskommen muss. Wir brauchen Unterstützung von Leuten, die uns als vierte Gewalt dauerhaft haben wollen. Andererseits: für das Land ist der Zustand am „Markt“ eine Katastrophe.

Markt ist ohnehin ein Begriff, der in diesem Zusammenhang völlig falsch ist. Denn Markt bedeutet eigentlich Wettbewerb, der wird aber durch die Subventionierung ansonsten nicht überlebensfähiger Printzeitungen verzerrt. Auf Gutsherrenart werden Inserate verteilt, vor allem in der Coronakrise zeigte sich die Macht der Politik über Medien in Österreich.

Gewiss, es gibt zum Glück nicht nur uns. Dass etwa die „Vorarlberger Nachrichten“ (VN) durch kritische Kolleginnen von Oe1 und „Der Standard“ quasi gezwungen werden, die heimische Inseratenaffäre rund um den Vorarlberger ÖVP-Wirtschaftsbund mitaufzuklären, ist gut und wichtig. Die Selbstkritik der Bregenzer ist allerdings ohrenbetäubend leise. Immerhin sind die VN Teil des Problems und Beleg dafür, dass die Medienkrise nicht nur den derben Großboulevard betrifft. Das zeigte sich auch schon bei zweifelhaften Chats des Chefredakteurs der Zeitung „Die Presse“, die notwendige Distanz zur Regierung schnellstmöglich erlernen sollte, ist doch der türkise Messias zumindest kurzfristig von dannen gezogen.

Die große Nabelschau

Man sollte sich aber nicht zu viel erwarten. Solange Sobotka, über dessen mutmaßliche Schandtaten am eigenen Land offenbar erst noch „recherchiert“ werden muss, ausgerechnet bei der Preisverleihung des Presseclubs Concordia über „Fakt und Fake“ schwadronieren darf, ist absolut nichts besser als zu Kurz-Zeiten. Der Presseclub hätte die Verleihung an einem anderen Ort stattfinden lassen und die Einladung des Nationalratspräsidenten dankend ablehnen müssen. Kein Journalistenpreis ist so wichtig, dass er von der Kanzel des Autoritären aus ins Lächerliche gezogen wird.

Man hört unterdessen, dass Kurz‘ Mediendompteur Gerald Fleischmann im Hintergrund immer noch die Fäden ziehen soll. Einige Überreste des türkisen Regimes halten sich hartnäckig. Sie könnten, das nur als kleines Gerücht nebenbei, übrigens die Quelle für so manche Anti-ÖVP-Geschichte sein. Die Hinweise mehren sich, dass Nehammer, Wallner & Co. Intrigen der Kurz-Jünger fürchten müssen. Vor dem Parteitag am 14. Mai wurden noch schnell Logo und Parteiname geändert, so kann der heilige Sebastian dem Karl nicht die Show stehlen. Wird er aber, denn was gibt es Geileres für Kurz-treue Journalisten, ihren ehemaligen Shootingstar wieder live zu Gesicht zu bekommen? Niemals vergessen, dass es vor allem reichweitenstarke Medien (manche davon mutmaßlich gekauft) waren, die den Aufstieg des Messias herbeischrieben.

Nicht viel Zeit

Für substanzielle Veränderungen gibt es meistens kleine Zeitfenster. Jetzt wäre so eines da. Politik, zumal zu lange an der Macht, reinigt sich nur dann, wenn sie Druck von außen bekommt. Österreichs Journalismus hat hier eine demokratiepolitische Verpflichtung, damit nach dem großen Korruptionsaufräumen nicht wieder ein neuer Kurz kommt. Die Älteren werden sich erinnern: nach der Zeit der „mani pulite“ (Aktion „saubere Hände“ gegen kriminelle und korrupte Eliten in Italien), war die Opposition unfähig für ein Gegenmodell zur kaputten italienischen Christdemokratie. Empor stieg: Silvio Berlusconi.

Titelbild: APA Picturedesk

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24 Kommentare

  1. Der lange Schatten des Sebastian
    Kurz? Sobotka, der kleine Mann, wirft nur kurze Schatten, es sei denn, die Sonne steht sehr tief.

  2. Ich bin eigentlich noch immer verwundert und erschüttert, – keine (KEINE!!!) einzige Tageszeitung hat die Aussage von Kern im Salon Pilz aufgenommen und publiziert. Ein ehemaliger IM und jetziger Nationalratspräsident geht gegen seinen Chef im Ausland vor und keine Zeitung findet das berichtenswert.

    Strache hatte recht. Es tut mir weh einem rechten Trottel auch noch recht geben zu müssen:
    Journalisten sind die grössten Huren.

    • Wenns nur so einfach wäre. Der Mensch hat Das Prinzip der Verarschung kultiviert,inklusive Selbstverarschung. Ich weiß nicht, ob wir da wieder raus können.

  3. Man sollt vorher zu Ende lesen, bevor man vorschnell ein Danke ausspricht.
    “nach der Zeit der „mani pulite“ (Aktion „saubere Hände“ gegen kriminelle und korrupte Eliten in Italien), war die Opposition unfähig für ein Gegenmodell zur kaputten italienischen Christdemokratie. Empor stieg: Silvio Berlusconi.”

    Schon wieder die Berlusconi-Keule?
    Die SPÖ ist vorne…. Und die Werte scheinen stabil zu sein.
    Was wollt ihr eigentlich mit dem Artikel sagen???

    Wir klären auf, aber lassen wir besser alles, wie es ist, das Risiko ist zu hoch, dass…….. WAS? Wir leben in einem Land in dem 99,9% der Medien gekapert wurden. Wie soll sich das ändern, wenn wir es so lassen?

  4. “Ist es abgebrüht oder zynisch, dass ich meiner Redaktion sage: Das ist doch gut, dann kommen die Leser zu uns?”

    Leider: JA

    Und abgesehen davon, man muss euch erst mal kennen und wissen, dass es euch gibt um euch lesen zu können.

    Danke für den Artikel. Halt ich für “das Thema” unserer Zeit….und wie es ausgeht ist entscheidend.

    • Wer haut den Kurz, …
      Wer haut den Plinacek, …
      Wer haut den Schallenberg, …
      Wer haut den Nehammer, …
      Wer haut den Sobotka, …
      Wer haut den Schmid, …
      Der Prater bräuchte eine ganze Allee von Watschenmännern, …
      Als Marketing und Bastelfan wäre das auch ein guter Vorschlag für eine gelungene 1. Mai Vernstaltung gewesen. Da hätte vielleicht auch Rendy Wagner einmal renitent zuschlagen können.

  5. Man wird an der Berichterstattung vom Auftritt der Holzpuppe sehen, wer noch immer dem Messias huldigt.
    Bin gespannt.

      • … pflichte gerne Beifall akklamierend zu! Hygiene im eigenen Haus reflektierend Platz greifen lassen, bevor man dann (wertend) zum Nachbarn sieht …

  6. Die österreichische Medienlandschaft ist ein einziges Trauerspiel. Voller angefütterter Duckmäuser und schleimiger Leitartikler.

    Und durchsetzt mit Chefredakteuren, die devote Schweigegelübde gegenüber dem Finanzier ÖVP abgelegt haben. Natürlich im Gegenzug mit großzügigen Inseratenzuteilungen.

    So präsentiert sich derzeit die schwürkis eingefärbte vierte “Macht” im Staate. Würde man dies in einer funktionierenden Demokratie nicht als Korruption bezeichnen?

  7. Italien: Der “Partito Democratico” (PD) hat das Erbe der Democrazia Cristiana inklusive Mafia-Schnittstellen restlos übernommen. Die “CentroDestra”-Opposition ist heillos zerstritten, da Salvini und Berlusconi die Vorherrschaft von Giorgia Meloni mit ihrer offenbar zahlenmäßig überlegenen Partei Fratelli d’Italia nicht anerkennen, was von “Super Mario” Draghi ausgenützt wird, um seine Position zu zementieren. Zum Glück sind die Grünen in Italien eine kleine unbedeutende Minderheit. Ich hatte seinerzeit noch die Ehre, Alexander Langer zu kennen, als er uns von seinem Kampf in der “Lotta Continua” erzählte. (Ja, ich war damals auch einer von denen, lang ist’s her …). Am Ende hat er sich an einem Aprikosen-Baum aufgehängt – Friede seiner tapferen Seele! Zur Zeit schlittert Italien in eine furchtbare Rezession, während die Carabinieri ab morgen die Temperatur in den Privathäusern kontrollieren werden (s. Thermostat-Gesetz).

    • Fortsetzung: Die amerikanisierten italienischen Medien haben Italien in ein kindisch kicherndes dementes Pinocchio-Theater verwandelt. (Pinocchio entspricht unserem Kasperl). In Italien lagern über 80 amerikanische Atombomben – die Koordinaten sind bekannt. Wenn die Verrückten den Krieg ausweiten, werden auch in Italien Atompilze in den Himmel wachsen – dann werden keine Touristen mehr die Strände von Jesolo, das untergehende Venedig und das quirlige Neapel besuchen …

    • In den amerikanischen südstaaten baumeln auch seltsame früchte an den ästen.
      Allerdings nicht freiwillig. Man nennt das lynchen.

  8. Interessante Entwicklung bei DiePresse: Knittelfelder ( Buch “Inside Türkis”) wird der Mitarbeiterin mit dem “geförderten Überblick” zur Seite gestellt. Wenn er wirklich was am Kasten hat, dann ist’s mit der Anna vorbei.

  9. Das Problem dabei: Wenn diese (mutmaßlich korrumpiert) installierten “Gabionen-Wände” in massiv stabiler Bauart in der österreichischen Medienlandschaft als funktional institutionaliserter Sichtschutz politisch hintergründiger (am Rande der Legalität fragwürdigen) Realitäten mit Drahtzangen o.ä. endlich “bearbeitet” würden, blieben nur polternd lose Steinhaufen übrig (bzw. kein Stein auf dem Anderen). Ein ohne Übertreibung resultierend erwartbar dramatischer Wandel etabl. Machtstrukturen / -Machern im Info- und Entertainment kommentierter Gegenwartsbeschreibung, samt befürchtet vorübergehend temporärer Orientierungslosigkeit öffentlich ziviler Wahrnehmung in der – in existenziellen Abhängigkeiten erzogenen – Stimmvieh-Herde, mit mMn noch nicht einmal im Ansatz einzuschätzend absehbaren Folgen, wäre die drohende Konsequenz. Es wird jedenfalls, welche Ergebnisse sich aus einer solchen Kartharsis auch immer ergäben, einen hohen, sehr hohen Preis in nationaler Identitätsfindung kosten!

    • Nachsatz: Und wenn sich aus diesen rückkoppelnden Abhängigkeitsverhältnissen (Spin -> Information -> Berichterstattung -> Medienförderung(en) -> Existenz(en) -> öffentliche Meinung -> Wähleranteile -> aliquote Parteienfinanzierung -> PR-Budgets) dann ein “König Soberl würdig Hof hält”, um seine Getreuen im Presseclub ehrend zu bedanken, dann kann aus einem Schauspiel ja nur eine Groteske aus der Parodie entstehen – wie ich meine … 😉

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