Samstag, Dezember 7, 2024

Fake-Alarm in der Krone – Kommentar

Kommentar

Wie wird die „Kronen Zeitung“ mit der Affäre „Budin“ umgehen? Werden Fake News und ÖVP-Gefälligkeitsjournalismus geduldet? Oder kommt das „Aus“ für den ÖVP-Brückenkopf in Österreichs größter Zeitung?

 

Peter Pilz

Wien, 10. August 2022 | „Laut Auskunft der behandelnden Ärztin (jetzt gerade bei der Visite) muss ich jedenfalls noch zwei Wochen im Krankenhaus bleiben.“ Hans-Jörg Jenewein hat mir diese Nachricht gestern um 9.59 Uhr aus dem Spital geschickt.

Am Abend vorher stellte „Krone“-Redakteur Christoph Budin sich selbst sieben Fragen. Frage 3 lautete: „In welchem Gesundheitszustand befindet sich Hans-Jörg Jenewein?“ Budin gab sich selbst die Antwort: „Er ist schon wieder in „häuslicher Pflege“, wird auch psychologisch betreut.“ Jenewein war mehr als überrascht, als er am Beginn eines langen Spitalsaufenthaltes erfuhr, dass ihn Dr. Budin in häusliche Pflege entlassen hatte.

Fake-Alarm

Gleich nach der Fake-Antwort auf Frage 3 wollte Budin noch etwas von sich selbst wissen: Gab es einen Abschiedsbrief?“ Budins Antwort: „Die ersten Gerüchte bestätigten sich nicht.“ Budin verschwieg dabei ein Detail: Die „ersten Gerüchte“ waren in der „Krone“ veröffentlicht worden – von Budin selbst.

Jenewein fragt sich zurecht, warum ihn der „Krone“-Redakteur noch auf der Intensivstation mit Fake News verfolgt. Warum versinkt Jenewein in der „Krone“ neben seinem erfundenen Abschiedsbrief ins Koma, wacht auf und übersiedelt schnurstracks in häusliche Pflege? Warum verbreitet Budin News, die schon bei erster Überprüfung Fake-Alarm auslösen?

Jeneweins Handy-Daten, die Herbert Kickl möglicherweise schwer belasten, sind längst gesichert. Wer die Spuren zum FPÖ-Chef verfolgen will, findet von Ideenschmiede bis Jenewein-Handy genügend Ansatzpunkte. Man muss nicht auf einen Suizidpatienten eindreschen, um sich einen angeschlagenen FPÖ-Führer vorknöpfen zu können.

Damit es zu keinem Missverständnis kommt: Politisch empfinde ich für Hans-Jörg Jenewein keinen Funken Sympathie. Aber die Art, in der Budin die Macht seiner Zeitung missbraucht, halte ich für inakzeptabel.

Flood the Zone

Warum verbreitet Budin Falschmeldungen? Warum erfindet er Abschiedsbriefe und plötzliche Genesungen? Lässt er Jenewein spontan gesunden, um noch härter auf ihn einprügeln zu können? Oder ist er einfach zu faul, seine Behauptungen durch ein paar Anrufe zu überprüfen?

Vielleicht ist es etwas ganz anderes: Budin hat von Sebastian Kurz und Wolfgang Sobotka einfach das Handwerk gelernt. Fake News oder Real News – egal, Hauptsache News. Wenn sich wer aufregt, kann man am nächsten Tag aus der nächsten Kanone schießen. „Flood the zone“, mit Abschiedsbriefen und häuslicher Pflege, das geht, solange man es in der „Krone“ gehen lässt.

Jobs für die ÖVP

Dazwischen geht es um Politik, um Jobs, die für die ÖVP erledigt werden. Die BMI-Chats zeigen, dass Budin mehr als ein Werkzeug ist. Er gehört dazu und macht Politik, mit dem Kabinettschef des Innenministers und dem Medienstrategen der Partei.

2019 stand die „Kronen Zeitung“ vor einer ähnlichen Situation. Das Ibiza-Video kostete Richard Schmitt seine Schlüsselposition in der „Krone“. Die FPÖ stürzte ab, und die „Krone“ ging aus der freundschaftlichen Nähe in die seriöse Distanz. Seit damals wirft niemand der „Kronen Zeitung“ unstatthafte Nähe zu den Freiheitlichen vor.

Budins Ibiza

Im Fall „ÖVP“ steht die „Krone“-Entscheidung noch bevor. Die Nehammers und ihre Partei haben nach wie vor beste Drähte in die Redaktion. Aber die BMI-Chats und alles, was da noch kommt, können für die Budin-Gruppe das werden, was Ibiza für Schmitt war. Und Nehammer stürzt ab, egal, wie oft ihm seine letzten Getreuen am Boulevard noch unter die Arme greifen.

Vom Chefredakteur abwärts versuchen nicht wenige, die „Krone“ wieder dorthin zu steuern, wo sie Hans Dichand verankert hatte: in eine Position, in der Regierungsparteien nicht weiter als in den Vorhof der „Krone“-Macht kommen.

Dann könnte es soweit sein, dass Christoph Budin den Computer aufklappt, seinen Kündigungsbrief schreibt und das Haus in der Muthgasse verlässt. Der erfahrene Journalist mit den guten Kontakten wird sicher woanders ein gutes Angebot bekommen.

p.s.: Budins BMI-Chats liegen auch anderen Tageszeitungen vor. Aber sie werden nur bei uns veröffentlicht, weil wir überzeugt sind, dass nicht nur über Missstände in Parteien, sondern auch über die in Medien berichtet werden muss.

Titelbild: APA Picturedesk

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