Freitag, April 26, 2024

Schwarzes Loch von Niederösterreich – Teil 3: Goldene Igel, empörte Beidln

Schwarzes Loch von Niederösterreich:

Der Schauplatz von Teil 3 der großen Bad-Erlach-Saga: das Rathaus. Und darin ein paar illustre Charaktere und ziemlich originelle Siegesplaketten.

Teil 1: (K)ein Ort wie jeder andere

Teil 2: Eine große Familie und ihre Häuser

Anja Melzer

Wien, 10. November 2022 | Das Rathaus in Bad Erlach ist wohl so etwas wie der Prototyp niederösterreichischer Rathäuser. Butterblumengelbe Fassade, neben der Eingangstür das Wappen. Die Tür zum Gemeindezentrum ist schlicht, es könnte auch der Zugang in eine Turnhalle sein – wären da nicht die prominenten Embleme rund um den oberen Türrahmen: zweimal das Logo der „NÖN“ („Niederösterreichische Nachrichten“), zweimal das der Wiener Neustädter Sparkasse, begleitet vom Slogan „In jeder Beziehung zählen die Menschen.“ Auch dieser Satz prangt gleich doppelt am Türstock.

Hinein ins Rathaus, hier der Zugang links. Rechts davon finden sich die “NÖN”-Logos. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Mit Menschen bzw. den Bildern von ihnen geht es dann auch direkt weiter, wenn man die Stufen hoch ins Rathaus steigt. An den Wänden hängen bunte Fotos, darunter ein paar des Bad Erlacher Bürgermeisters Johann Rädler und von ÖVP-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.

Bilder aus der Familienidylle im Stiegenhaus des Rathauses: Mit u.a. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner, Rädler sen. und ganz rechts Rädler jun. (C) ZackZack

Goldener Igel und der Schilderwald

Oben angelangt wartet mitten im Amtsgebäude-Ambiente ein wahrhaft hochkarätiges Erlebnis: Vor einer Wand im Flur stehen zwei Sessel, grün bezogen. Zwischen ihnen ein Korb mit Blumen, drappiert auf einer Holzkiste. Und an dieser Wand hängen – zwar ein wenig schief, aber der Inhalt zählt – elf gerahmte Auszeichnungen. Von links nach rechts im Schnelldurchlauf:

  • „Grundzertifikat 2017 Audit familienfreundliche Gemeinde“ (unterschrieben übrigens von Sophie Karmasin),
  • „Gesunde Gemeinde 2020-2022“,
  • „Anerkennung Bad Erlach verzichtet auf Pestizide 2016“,
  • „Urkunde Fairhandelnde Gemeinde 2009“,
  • „Urkunde Blühendes Niederösterreich / Naturnahe Friedhöfe Anerkennungspreis 2017“,
  • „Grundzertifikat Gesunde Gemeinde 2015“,
  • „Schulhöfe und Spielplätze in Bewegung 2016“ (Unterschrift von Sobotka),
  • „Urkunde Klimabündnis-Netzwerk 2019“,
  • „Urkunde Mobilitätsgemeinde 2017“,
  • „Urkunde Goldener Igel 2020“.

Der ebenfalls anwesende Chef des SPÖ-Ortsverbandes, Constantin Luger, nennt die Preisschau spöttisch „Schilderwald“. Nette Überschriften ohne Substanz.

(C) ZackZack

Einmal im Quartal wird hier oben im Saal am Ende des Ganges die Gemeinderatssitzung abgehalten. Die letzte, vor der Sommerpause, war ziemlich eskaliert. ÖVP-Langzeit-Bürgermeister Johann Rädler verweigerte die Angelobung eines SPÖ-Mandatars.

„Beidl“

Um zu verstehen, warum, muss man sich gedanklich noch einmal zurück zum im ersten Teil beschriebenen Golfschläger-Kunstwerk im Kreisverkehr versetzen. Die vermeintliche Ähnlichkeit zu einem Penis hatte die Wogen 2018 im Ort hochgehen lassen, bei manchen zu hoch. Ein SPÖ-Gemeinderat, Hannes Gmeiner, hatte Bürgermeister Rädler damals in Anlehnung an die Skulptur „Beidl“ geschimpft. Für diese Unflätigkeit entschuldigte er sich später.

Um diesen Phallus im Kreisverkehr, den wir schon aus Teil 1 kennen, entzweite sich ein Streit zwischen SPÖ und Bügermeister – der bis heute andauert. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Doch als im Juni 2022 jener Hannes Gmeiner erneut in den Gemeinderat nachrücken sollte, war klar: Der Bürgermeister hat ihm den ordinären Spitznamen nie verziehen. Er verweigerte die Angelobung. Die Sitzung wurde daraufhin unterbrochen. Nach einigem Hin und Her übernahm schließlich trotz Anwesenheit des Bürgermeisters im Saal der Vizebürgermeister die Angelobung – ein mehr als ungewöhnliches Prozedere, das sich in dieser Form rechtlich nirgends in der niederösterreichischen Gemeindeordnung wiederfinden lässt.

„Wir sind hier nicht in Bosnien!“

An der Stelle eine kleine Anekdote am Rande: Rädler, der in der „Beidl“-Beleidigung unentschuldbaren „Hass“ ortete, fiel im selben Jahr mit rassistischen Äußerungen im österreichischen Nationalrat auf. Damals Abgeordneter, plärrte er während der Rede von Alma Zadic (Grüne), heutige Justizministerin, in Anspielung auf deren Geburtsland Folgendes von den hinteren Reihen: „Wir sind hier nicht in Bosnien!“ Er habe es nicht so gemeint, erklärte er später. Die Empörung über den Sager könne er nicht nachvollziehen.

Zurück zu der in Kürze beginnenden Herbst-Gemeinderatssitzung, bei der ZackZack an diesem Abend dabei ist – auf einem Sessel hinten im Eck. Ein „NÖN“-Journalist ist ebenfalls anwesend. Er sitzt mit am Gemeinderatstisch, zwischen den ÖVP-Gemeinderäten.

Cobra-Chef

Die Gemeinderäte treffen ein. Die Sitze sind folgendermaßen verteilt: 16 ÖVP, drei SPÖ, einer FPÖ, sowie ein – seit ihn die SPÖ ausschloss – freier Mandatar.

Das Parteienspektrum in Bad Erlach. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Unter den ÖVP-Kandidaten finden sich ein paar illustre Charaktere: Neben Bürgermeistersohn und WET-Vorstand Christian Rädler sitzt auch Bernhard Treibenreif auf einem schwarzen Sessel. Die Welt ist klein: Bei dem Beamten handelt es sich um jenen Mann, der im Frühjahr als Cobra-Chef in die sogenannte „Cobra-Libre-Affäre“ rund um zwei stark alkoholisierte Personenschützer im Haushalt von ÖVP-Kanzler Karl Nehammer verwickelt war.

Nach Bekanntwerden des Unfalls war Treibenreif in einem anonymen Schreiben an Parteien und Medien Amtsmissbrauch vorgeworfen worden. Kurz danach hatte die Staatsanwaltschaft Korneuburg verkündet, dass gegen “eine namentlich bekannte Person” Ermittlungen eingeleitet wurden. Medial kolportiert wurde, dass es sich dabei um Treibenreif aus Bad Erlach handle. Von der Staatsanwaltschaft wurde das bisher nicht bestätigt. Wie dem auch sei: Aus dem Gemeindevorstand in Bad Erlach wurde er abberufen.

Gelb, die Farbe der Hoffnung und Fröhlichkeit. (C) ZackZack/Christopher Glanzl

Ok cool

Doch die schillerndste Figur im Saal ist natürlich Johann Rädler selbst. Wer die obige Aufzählung der Gemeinde-Auszeichnungen aufmerksam gelesen hat, muss natürlich bemerkt haben: Es waren nur zehn. Denn die elfte unterscheidet sich von den restlichen. Es ist eine „Siegerurkunde“, weiße Schrift auf grünem Hintergrund. Verliehen wurde sie Johann Rädler in Personam. Titel: „Coolster Bürgermeister in Niederösterreich.“

Diese montagabendliche Sitzung im Herbst wird er allerdings nicht „cool“, sondern sichtlich aufgebracht und ziemlich grantig beginnen – mehr dazu in Teil 4 dieser Reportage.

Demnächst erscheint Teil 4 von “Schwarzes Loch von Niederösterreich”. Nicht verpassen!

Titelbild: ZackZack/Christopher Glanzl

Anja Melzer
Anja Melzer
Hält sich für die österreichischste Piefke der Welt, redet gerne, sehr viel und vor allem sehr schnell, hegt eine Vorliebe für Mord(s)themen. Stellvertretende Chefredakteurin. Sie twittert unter @mauerfallkind.
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63 Kommentare

  1. “Schwarzes Loch von Niederösterreich”… wia i des is easte moi glesn håb, håb i glaubt, es haundlt si um an Sobal sei Biografie.

  2. Wieder so ein seichter Artikel. Wo bleiben belastbare strafrechtlich relevante Vorwürfe? Gibt es keine?

    • Die Anfahrt von Wien nach Bad Erlach, es kommt nach Wr. Neustadt, beträgt etwa 65 km. Die Anfahrt ist also etwas kürzer als die Einleitung im Artikel, soviel hat mir gmaps schon mal verraten.
      Das war mein Kommentar zum 1.Teil.
      Teil 2…war schon etwas Faktenbasierter.
      Jetzt wiederum unnötige Fassaden, Eingangstüren und Foyer Beschreibungen. Der Versuch, ein Sittenbild der Politik zu zeigen in Ehren, die Langatmigkeit der Beschreibungen konterkariert die Überschriften.
      Wofür wurde der „Goldene Igel“ vergeben! Vielleicht habe ich es auch überlesen, jedenfalls hat sich auch diese Schlagzeile als leer erwiesen.

      Fakten, Fakten, Fakten, dann würde der Focus stimmen!

      • Im zweiten Teil wurde zumindest ein Bild von Objekten veröffentlicht die mit der WET null zu tun haben soviel zu Faktenbasiert. Es gäbe bestimmt einige Punkte wo man den BGM in Zeitungen anpatzen könnte. Strafrechtlich Relevantes ist da meiner Meinung nicht dabei, einfach da er sonst von den Oppositionsparteien schon längst angezeigt worden wäre.
        Rädler ist nicht unumstritten, und viele sind froh das er sich in die Pensn zurückzieht.

  3. Grabinschrift auf (Nieder-)österreichisch: “Hier liegt ein Steuerzahler, sein letztes Loch ist gefüllt.”

      • Lieber Beobachter, da haben Sie vollkommen Recht, die Botschaft wird beim Winzerkanzler und seiner Gusti allerdings nicht ankommen. Wenn die beiden den extra für diesen “Zweck” organisierten Personenkreis wenigstens in ihr Ringareia-Spiel einbezogen hätten… So aber tänzeln sie sinnlos herum, Kogler hat den einen jungen Mann grob auf seinen Platz bugstiert, das ausgewählte Publikum erkennt die Perfidie dahinter nicht und fühlt sich sogar geehrt, es gibt wieder schöne Fotos für Social Media. Alles Show. Danke an Gerda, dass sie uns diese “grüne Aktion auf Kosten von Menschen mit Beeinträchtigung” gezeigt hat, diese Partei hat bereits unterirdisches Niveau erreicht.

      • Das Freuden-Tänzchen dürfte rund ein Monat nach dem Kurz-Abgang stattgefunden haben! Kein Wunder, daß Maurer und Kogler auch in ihrer Tanzperformance angeschlagen waren!
        Trotzdem, schöne Bilder, Gerda waren sie auch dabei?

  4. …. schwarze Löcher sind tatsächlich wirklich viel näher als gedacht, in nur 1560 LJ Entfernung umkreist ein Sonnenähnlicher Stern ein solches. Es könnte gut eine Million solcher Stellaren Schwarze Löcher in unserer Milchstraße geben, zumindest lassen diese Daten das vermuten…
    Von NÖ ins Universum, der Weg sollte untersucht werden…, vielleicht sollte man auch die Urknalltheorie diesbezüglich durchleuchten… 😉
    https://mfe.webhop.me/astronomie-physik/weltraum/erdnaechstes-schwarzes-loch-entdeckt/

  5. Seit 20 Jahren sind der Journalist Hans Tomsich aus Lanzenkirchen und Cobra-Chef Bernhard Treibenreif aus Bad Erlach befreundet. “Wir kennen uns durch unsere Ehefrauen, die gemeinsam zur Schule gingen, und unsere Kinder kennen sich”, so die beiden unisono.

  6. Genial, könnte auch unsere Gemeinde sein.
    Ein wunderschöner alter Stadtkern zugeparkt mit Autos. Im Gastgarten fliegen den Leuten die Autos und Motorräder um die Ohren, sehr gemütlich und einladend. Und das grüne Beiwagerl schaut zu und hat 2 Lastenfahrräder angeschafft, “zum Ausborgen” 🙈. Vertragsärzte haben wir keine, Wahlärzte verdienen bei uns bestens weil vielen alten Leuten keine andere Möglichkeit bleibt.
    Usw. usf….

    • Laut ÖVP lebe ich im lebenswertesten Stadtteil von Linz.

      Ich sag nur, Lebensmittelgeschäfte, zu Fuß……..vergiß es, Fachärzte, vergiß es, Hausarzt kann bald nicht mehr, steht kurz vorm, ich werfe alles hin.

      ABER, wir haben innerhalb ein paar Meter, 3 Bestattungsunternehmen, also, das nennt die ÖVP als lebenswert.

      Wir sagen immer, einkaufen, Ärzte, vergiß es, aber ganz wichtig, die Bestatter sind in spätestens 3 Minuten da.

      Und die SPÖ? Die meint nur dazu, ja, ja, war früher alles besser………….

  7. “Wir sind hier nicht in Bosnien” Wahrscheinlich geht es in Bosnien weniger korrupt zu wie im schwarzen Wunderland Niederösterreich.

  8. Sehr spannende Reportage. Die Tiroler, NÖ und OÖ sollten eine Selbsthilfegruppe gründen. Wie (über)lebe ich im schwarzen Sumpf Tips und Tricks zum Umgang mit der schwarzen Allmacht.

  9. 😀 Schön! Ich warte gespannt auf die Fortsetzung. Es ist leider kein Roman, auch wenn es sich stellenweise so liest, sondern ein “Sittenbild mit Grädler”. Heute zudem ein “Sittenbild mit Cobra”.

    Der Sohn vom Bürgermeister ist auch im Gemeinderat? Das riecht nach Nepotismus. Und stimmt dann für seine selbst eingebrachten Bauprojekte. Auch keine saubere Trennung der Funktionen.

  10. In Nö hält sich auch hartnäckiges Gerücht: Herr Pröll und Frau MILEI sollen ein gemeinsames Kind haben und deshalb hat sie auch diesen Job bekommen. Aufgrund von Machtstreitigkeiten zwischen Pröll und Sobotka konnte er “nur” nach Wien gehen. Aber egal wer mit wem Kinder zeugt und wer sich in welchem Bundesland aufhält, alle Parteien sind schlussendlich gleich. Sie alle jonglieren mit unseren Steuergeldern in ihre Taschen. Hört endlich auf diese zu wählen! An ihren Taten könntet ihr sie messen. Doch keiner tut es. Der Österreicher hat Angst vor Veränderungen.

    • Hmmm – hilf mir
      “Sie ALLE jonglieren mit unseren Steuergeldern in ihre Taschen” – stimmt voll und ganz
      “Hört endlich auf diese zu wählen!” – wenn es ALLE tun ( siehe oben ) wen sollen wir dann wählen? Niemanden?

        • aber ich glaub wir haben frank verschreckt, es kommt keine antwort 🙂
          aber den aufglegten elfer haben wir treffsicher versenkt

  11. Liebe Niederösterreicher!

    Wenn ihr wirklich wollt, dass ihr von Polittypen wie Mikl-Leitner, Sobotka, Kloibmüller oder Rädler reagiert werdet, unbedingt ÖVP wählen.

    Nur dann ist abgesichert, dass es in NÖ ewig so weitergeht!!!

  12. NÖ ist voll von Gschichterln unterm Giebelkreuz.Auch In den kleinsten Gemeinden herscht schwarze Freunderlwirtschaft. Obs um Umwidmungen, Genehmigungen oder Jobs zb. im Krankenhaus geht …ohne die schwarze Brut geht nichts. Selbst wenn die Övp auf die Oppositionsbank geschickt wird, wird es Jahre dauern diese Jauchegruben auszutrocknen.
    Kein NÖ Övpler wird Rot, Grün oder Pink wählen. Wenn nicht schwarz wird Blau gewählt. Rechts ist die Richtung in NÖ.
    Leider…….

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