Sonntag, April 28, 2024

Spionageverdacht gegen Diplomatensohn

Ein 39-Jähriger soll jahrelang für Russland in Österreich und international als Spion tätig gewesen sein, vor allem von Wien aus – kein Einzelfall.

Wien/Moskau/Kiew, 19. Dezember 2022 | Ein 39-jähriger griechischer Staatsbürger russischer Abstammung wird verdächtigt, seit mehreren Jahren als Spion für den russischen Militärgeheimdienst GRU (Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije, zu Deutsch: Hauptverwaltung für Aufklärung) in Österreich im Einsatz zu sein. Das ließ das Innenministerium (BMI) Montag früh in einer Aussendung wissen. Der Verdächtige dürfte damit in die Fußstapfen seines Vaters treten. Er ist Sohn eines ehemaligen russischen Nachrichtendienstmitarbeiters, der in seiner aktiven Dienstzeit als Diplomat in Deutschland und Österreich tätig war.

Die Ermittlungen wurden im Auftrag der Staatsanwaltschaft Wien von der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und „in enger internationaler Zusammenarbeit geführt“, schrieb das BMI.

Geheimnisverrat vorgeworfen

Laut BMI war der 39-Jährige nach einer militärischen Spezialausbildung in Russland Mitarbeiter des Militärnachrichtendienstes GRU gewesen. Er stand demnach in Kontakt mit Diplomaten und Nachrichtendienstmitarbeitern aus verschiedenen Ländern. Laut BMI hielt er sich auch kurz vor und während der russischen Invasion in der Ukraine in Moskau auf. Konkret wird dem Verdächtigen vorgeworfen, Staatsgeheimnisse verraten zu haben.

“Es besteht der Verdacht, dass er als Quelle für Informationen zu außenpolitischen, gesamtgesellschaftlichen sowie sicherheitspolitischen Diskursen innerhalb der österreichischen Bevölkerung, des Landes sowie der Presse genutzt wurde und deshalb zur Abschätzung möglicher Reaktionen des Auslands im Vorfeld der militärischen Operation nach Moskau geholt wurde”, teilte das BMI mit.

Wien als Drehscheibe

Wieder einmal steht Wien als Drehscheibe für Spionagetätigkeiten im Fokus. Dort soll der Verdächtige an „konspirativen Örtlichkeiten“ Informationen ausgetauscht haben. Laut BMI ist in zeitlicher und örtlicher Nähe zu den Umtrieben des Verdächtigen auch russisches diplomatisches Personal festgestellt worden. „Die Übergabeorte sind durch Vereinbarungen oder meist unscheinbare Markierungen nur dem Absender und dem Empfänger bekannt bzw. erkennbar und dadurch vor der Entdeckung durch Nichteingeweihte geschützt“, heißt es in der Aussendung.

Generell dürfte der Diplomatensohn recht umtriebig gewesen sein. Im Zeitraum von 2018 bis 2022 hat er insgesamt 65 Reisen „ins innereuropäische Ausland sowie nach Russland, Belarus, die Türkei und Georgien“ angetreten, schreibt das BMI. Außerdem soll er mehrere Liegenschaften in Wien, in Russland und in Griechenland erworben haben. Das BMI betont in diesem Zusammenhang, er sei in der Vergangenheit „kaum einer Beschäftigung“ nachgegangen und beziehe daher „nur geringe Sozialleistungen“ hierzulande.

Mehrere Hausdurchsuchungen

Bei der Durchsuchung von Liegenschaften des Verdächtigen wurden unter anderem ein Signaldetektor, ein Splitterschutzanzug sowie Mobiltelefone, Laptops und Tablets sichergestellt, auf denen in Summe zehn Millionen Dateien ausgewertet wurden. Laut “Kronen Zeitung” wurde von Beamten des Einsatzkommandos Cobra unter anderem “ein hinter hohem Zaun und Gartenhecke verstecktes Haus nahe des Naturparadieses Lobau in Wien” gestürmt.

Verdächtiger auf freiem Fuß

Der 39-jährige Verdächtige befindet sich derzeit aber weiter auf freiem Fuß. „Die weiteren Verfügungen werden von der Justiz angeordnet“, schreibt das BMI etwas kryptisch.

Für die nachweisliche Unterstützung eines geheimen Nachrichtendienstes zum Nachteil Österreichs ist im Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen.

Kein Einzelfall

Dass mutmaßliche russische Spione jahrelang in Österreich tätig sind, ist für Kenner der Materie keine Überraschung. Erst im Juli machte ZackZack in Zusammenarbeit mit der deutschen Tageszeitung “Die Welt” den Fall des ehemaligen russischen Generalkonsuls in Österreich Sergey Ganzha öffentlich, bei dem die Zusammenarbeit der deutschen und österreichischen Behörden zu Wünschen übrig gelassen haben dürfte.

Besonders im Zusammenhang mit dem Wirecard-Skandal und den Russland- und Politik-Verbindungen des flüchtigen ehemaligen Vorstandsmitglieds Jan Marsalek äußerte NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper Zweifel, dass effizient ermittelt werde, auch was die Rolle der Nachrichtendienste angeht.

(pma)

Titelbild: ZackZack/ Christopher Glanzl

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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29 Kommentare

  1. Wie im Artikel In Österreich ist “Spionage” nur dann strafbar, wenn es zum Nachteil Österreichs geschieht. Ob es Deutschland, der Ukraine oder Kasachstan schadet ist hingegen irrelevant. Führt also nicht zu einer Verurteilung.
    Offensichtlich ist das “belastende Material” nicht so schwerwiegend, dass man sich zu einer Festnahme entschlossen hat.
    Vielleicht ist das Ganze überhaupt ein “Sturm im Wasserglas” und es kommt gar nichts dabei heraus.

  2. Ja-früher nahm man das nicht ernst: (zu Recht)
    »Was brauch” i dös«, pflegte der legendäre Kanzler Kreisky über Agentenberichte zu lästern, »solang” i die Neue Zürcher hab”.«

  3. Hätte Putin gewusst dass die Weltmacht Österreich (vor allem Nehammer & Kogler) gegen den Krieg sind-niemals hätte sich Putin getraut in die Ukraine zu marschieren!

  4. Was gibt es in Österreich zum Ausspionieren, was man nicht eh schon aus den Boulevardmedien weiß?

  5. Hat ja Tradition: (Quelle: Profil)
    Aus den hunderten Akten ergibt sich eine bittere Wahrheit: Helmut Zilk lieferte der Staatssicherheit der kommunistischen CSSR zwischen Dezember 1965 und Juni 1968 ­Informationen aus für sie unzugänglichen Kreisen der österreichischen Innenpolitik. Und er ließ sich dafür entschädigen: durch Geld, aber auch durch Geschenke. Für rund 70.000 Schilling liegen die Belege vor – nach heutiger Kaufkraft ungefähr 30.000 Euro.

  6. Karin Kneissl war ja mal Außenministerin. Bei mir stellt sich die Frage ob sie vertrauenswürdig ist, da ich mir nicht vorstellen kann in welche Akten und Aktionen sie Einsicht genommen hat!?

    • Aus den hunderten Akten ergibt sich eine bittere Wahrheit: Helmut Zilk lieferte der Staatssicherheit der kommunistischen CSSR zwischen Dezember 1965 und Juni 1968 ­Informationen aus für sie unzugänglichen Kreisen der österreichischen Innenpolitik. Und er ließ sich dafür entschädigen: durch Geld, aber auch durch Geschenke. Für rund 70.000 Schilling liegen die Belege vor – nach heutiger Kaufkraft ungefähr 30.000 Euro. (Profil)

  7. V. Putin ist jetzt erledigt. Und das unabhängig davon, wie das ausgeht in der Ukraine. Ihm wird niemand mehr auch nur im Ansatz vertrauen. Und das wird ihm langfristig alle Optionen nehmen.

  8. Super und der Staat zahlt ihm auch noch „nur geringe Sozialleistungen“ hierzulande.”!!!!! Bei der kommenden Anklage könnte man Sozialbetrug dann gleich noch dazu schreiben. Oder war das das mickrige Honorar für Gegen-Spionageleistungen??? ich frage für einen Freund.

    • Sollte so sein, dass da eine Anklage wegen Sozialbetrug dazukommt. Aber wahrscheinlich muss er nur 1m² einer Liegenschaft verkaufen, schon kann er die Strafe zahlen.

    • Ob das ein bewusstes “Missverständnis” ist.?
      Zu den Sozialleistungen gehört in Österreich z.b. die Krankenversicherung. Wenn unser Grieche “im geringen Umfang” erwerbstätig war, war er zu dem Zeitpunkt auch sozial- und damit Krankenversichert.
      Was genau der BMI damit ausdrücken will, ist doch, dass der Verdächtigte kaum Sozialleistungen bezogen hat. Und warum dann von Ihnen und Anderen “Sozialbetrug” vermutet wird ist eigentlich unverständlich. Mit dem Artikel selbst hat es aber nichts zu tun.Das ist eine Missinterpretation.

  9. In Österreich ist “Spionage” nur dann verboten, wenn es zum Nachteil Österreichs geschieht. Ob es Deutschland, der Ukraine oder Kasachstan schadet ist hingegen irrelevant. Nicht strafbar.
    Offensichtlich ist das “belastende Material”, soweit bekannt, nicht so schwerwiegend, dass man sich zu einer Festnahme entschlossen hätte. Es dürfte sich nicht um 007 handeln.

  10. Die scheinheilige Neos-Abgeordnete sollte mal in der Parteibuchhaltung nachsehen, wer von Wirecard für die Neos gespendet hat. Und dann still sein oder auch das aufdecken, aber dann ist sie die längste Zeit bei den Neos gewesen.

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