Samstag, Juli 27, 2024

Gutachten: »NÖ-Landesrechnungshof hat zugedeckt«

In der niederösterreichischen ÖVP-Inseraten-Causa liegt nun ein Gutachten des Verfassungsexperten Heinz Mayer vor: Der Landesrechnungshof habe seinen Auftrag “klar verfehlt”.

Wien, 18. Jänner 2023 | „Der Rechnungshof hat nicht aufgedeckt, sondern zugedeckt“, urteilt Verfassungsexperte Heinz Mayer über die Prüfberichte des niederösterreichischen Landesrechnungshofs (LRH) zu Inseratenschaltungen landeseigener Unternehmen. Er hat ein Rechtsgutachten zu den jüngst vieldiskutierten Prüfberichten erstellt und die Ergebnisse am Dienstag bei einer Pressekonferenz mit SPÖ-NÖ-Landesparteivorsitzendem Franz Schnabl präsentiert.

Das Argument des LHR, wegen des Datenschutzes keine Aufschlüsselung der Vergaben nach Medium geliefert zu haben, lässt Mayer nicht gelten. Die SPÖ möchte am Mittwoch im Landtag gemeinsam mit der FPÖ, den Grünen und den NEOS einen Antrag auf eine Neuprüfung einbringen. Es werde „hier etwas verheimlicht, was notwendigerweise aufgeklärt werden müsse“, sagte Schnabl.

Öffentliches Transparenz-Interesse

„Ich habe schon große Bedenken gegen die Argumentation, Inserate sind ein Geschäfts- und Betriebsgeheimnis“, sagte Mayer. Jedenfalls sei er zum Urteil gekommen, weil die betreffenden Unternehmen vollkommen oder mehrheitlich im Eigentum des Landes stünden, wiege das Interesse der Öffentlichkeit nach Transparenz höher als jenes der Medien, ihre Inseratengeschäfte geheim zu halten. Das Kontrollinstrument habe seine Prüfauftrag klar verfehlt, urteilte Mayer.

Die Berichte des LHR seien nicht verwertbar, weil sie nicht ermöglichten, einzelne Inseratenschaltungen nach Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit zu beurteilen.

“Macht mich misstrauisch”

Einerseits habe der Europäischer Gerichtshof (EuGH) 2010 festgestellt, dass bei juristischen Personen der Datenschutz reduziert ist, das gelte erst recht, wenn sie in öffentlichem Eigentum stehen, argumentierte Mayer. Außerdem müsse die Rundfunk-Aufsichtsbehörde KommAustria vierteljährlich veröffentlichen, wie hoch die Inseratenausgaben von Unternehmen waren, welche der Kontrolle des Bundes-Rechnungshofs unterliegen – auf Basis des Medientransparenzgesetzes. Der LRH hätte weniger Informationen geliefert als die KommAustria, sagte Mayer: „Das macht natürlich misstrauisch.“

Zwar stehe in der Landesverfassung, dass er Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse nur in Zusatzberichten behandeln dürfte, der nur dem Rechnungshofausschuss vorzulegen ist. Auch auf nationaler Ebene muss der Rechnungshof vertraulich mit diesen Informationen umgehen. Aber „nirgendwo ist gesagt, dass solche Dinge überhaupt nicht vom Rechnungshof kundgemacht werden dürfen“, so Mayer.

SPÖ könnte zu Bundes-Rechnungshof gehen

„Wir verlangen vom zuständigen Kontrollmedium alle Informationen, die es dann möglich machen, auch tatsächlich die Wirtschaftlichkeit, Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit zu prüfen“, sagte SPÖ-Landesparteiobmann Schnabl. Sollte der LHR die entsprechenden Daten auch im neuen Bericht nicht liefern, werde man zusammen mit SPÖ-Nationalratsabgeordneten den Bundes-Rechnungshof beauftragen, die Inseratenschaltungen zu überprüfen.

Außerdem möchte die SPÖ Niederösterreich einen Gesetzesantrag formulieren, solche Inseratenschaltungen zu verbieten, sprich: Werbeschaltungen von mindestens mehrheitlich landeseigenen Unternehmen in parteinahen Medien. Vor dem Hintergrund des Niederösterreich-Wahlkampfs, der Diskussion um Kostenobergrenzen und deren Überschreitung durch die ÖVP, plädierte Schnabl außerdem für höhere Strafen. Wird die Grenze einmal überschritten, soll die jeweilige Partei für zumindest ein Jahr keine Landesparteiförderung bekommen. Falls es wiederholt passiert, soll die Partei Schnabls Ansicht nach vollkommen gestrichen werden. Damit hätten Parteien nicht mehr nur „eine kleine Gebühr“ als Konsequenz zu befürchten.

Rohbericht enthielt genaue Infos

In der Affäre ermittelt mittlerweile die Staatsanwaltschaft gegen unbekannte Täter – ZackZack berichtete. Was jedenfalls Fragen aufwirft: In der Rohfassung des Berichts, die ZackZack vorliegt, waren genaue Aufschlüsselungen der Vergaben an diverse Medien noch enthalten. In den letztlich veröffentlichten Berichten waren nur noch die aufsummierten Vergabesummen an Online-, Rundfunk- und Printmedien angegeben.

(pma)

Titelbild: ROLAND SCHLAGER / APA / picturedesk.com

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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