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Fleischmann erklärt die Welt – „In normalen Zeiten Distanz zwischen Medien und Realität“

„In normalen Zeiten Distanz zwischen Medien und Realität“

Der “Kanzlerbeauftragte für Medien” Gerald Fleischmann lobte am Freitag im „Standard“-Interview den ORF, mit dem man „viel auf die Beine gestellt habe“.

Wien, 17. April 2020 | Gerald Fleischmann zeigte sich erfreut über die „staatspolitische Verantwortung“ der Medien in der Krise. Sonst habe die Berichterstattung nur „relativ mit der Realität zu tun“. Ungarische Verhältnisse werde es in Österreich aber nicht geben.

Von „realitätsfernen“ Medien

Die NEOS hatten Sebastian Kurz’ stellvertretenden Kabinettschef und “Kanzlerbeauftragten für Medien” Gerald Fleischmann zuletzt vorgeworfen, Medienpolitik und Regierungs-PR zu vermischen. Fleischmann sagt dazu, er sei kein Pressesprecher mehr – um im selben Atemzug die „Information der Bevölkerung über die Abarbeitung des Regierungsprogramms“ als seine Aufgabe zu bezeichnen. Der Eindruck allumfassender Medienpolitik verstärkt sich nun im „Standard“-Interview vom Freitag.

Darin beschreibt Fleischmann die wichtige Rolle der Medien in der Krise. Doch tut er dies, indem er einen bemerkenswerten Blick auf Medien im Normalzustand wirft. So sagt er:

„In normalen Zeiten gibt es eine Distanz zwischen den Medien und der Realität. Stichwort hochstilisierte Debatten in den Medien, die nur relativ mit der Realität zu tun haben. Da wird jeden Tag die vielzitierte Sau durchs Dorf getrieben. Umgekehrt finden sich in den Medien andere reale Dinge kaum wieder.“

Die Reflexion der eigenen Fehler in der Kommunikation fällt ihm im Interview merklich schwer, denn man sei noch viel zu sehr in der Bewältigung der Krise, als dass man darüber schon reflektieren könne.

Auf die Nachfrage, was man denn besser machen könne, geht er nicht ein, zählt aber die Krisenerfahrung der Kurz-Mannschaft auf. Darunter findet sich seltsamerweise auch die Ukraine-Krise „mit dem Gipfel in Wien“. Außenpolitischer Common Sense ist hingegen die hervorgehobene Rolle Deutschlands und Frankreichs bei der Lösung dieser Krise, Österreich wurde gerade unter Türkis-Blau von vielen Experten die Fähigkeit zur Vermittlerrolle abgesprochen.

Böser ORF, braver ORF

Das Interview kommt auch auf den ORF zu sprechen, der in der Krise im Fokus steht wie kaum ein anderes Medium. ZackZack hatte darüber berichtet, wie wenig die Opposition in der Corona-Krise in der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes, der „ZIB“, vorkommt.

Fleischmann ist mit dem ORF nun sehr zufrieden. Kein Wunder: die Anteile der Regierungskommunikation sind außergewöhnlich hoch, jeden Tag wird mindestens eine Pressekonferenz mit Regierungsvertretern übertragen und/oder ausführlich erwähnt. Er wolle sich kein Urteil anmaßen – tut es dann aber doch:

„Diese Krise hat die Bedeutung des ORF noch einmal klar vor Augen geführt. Viele, die früher Sender verkaufen wollten oder den ORF zerschlagen, denken um. Ich will mir kein Urteil anmaßen, aber der ORF trägt hier wesentlich staatspolitische Verantwortung.“

Auf Nachfrage, ob das jetzt ein Umdenken beim zuvor ORF-kritischen Bundeskanzler sei, wiegelt er ab: Kurz hätte nie „Verkaufsphantasien“ gehabt. Auch die enge Zusammenarbeit mit ORF-General Wrabetz ist für den Kurz-Beauftragten eine Meldung wert: „Wir haben viel auf die Beine gestellt“.

Versteht Kritik an Medienförderung nicht

Zur umstrittenen Corona-Medienförderung sagt Fleischmann, man „habe mit allen Betroffenen bis tief in die Nacht gesprochen“. Warum denn gerade die Druckauflage als wichtiges Kriterium dient, die ohnehin marktbeherrschende Player bevorzugt, beantwortet Fleischmann nur mit „nüchterner“ Analyse und Orientierung an der bestehenden Presseförderung.

Auf die Frage, ob die umstrittenen Subventionen ein Vorgeschmack auf allfällige Reformpläne seien, verneint Fleischmann etwaige Reformgedanken. Es handle sich um eine Soforthilfsmaßnahme. Zudem stellt er, ohne genauer darauf einzugehen, eine zweite Viruswelle in den Raum:

„Schauen wir, wie sich die Krise weiterentwickelt, ob eine zweite Viruswelle kommt. Ich schließe bei diesem Virus nichts aus.“

Wegen Demokratie keine ungarischen Verhältnisse?

Wie denn die österreichische Medienlandschaft nach der Krisenkommunikation aussehen würde? Jedenfalls nicht so wie in Ungarn. Weil:

„Wir leben in einer Demokratie, und deshalb wird irgendwann einmal ein anderer in diesem Büro sitzen.“

Bleibt zu hoffen, dass dem so ist. In der Vergangenheit wurden vermehrt Stimmen laut, dass die Medienpolitik der Regierung Kurz II deutliche Züge von Orbanisierung erkennen lasse. Auch ZackZack berichtete und kommentierte zu diesem Thema bereits häufig.

(wb)

Titelbild: APA Picturedesk

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