Samstag, April 20, 2024

Staatsanwalt verfolgte Hinweisgeber statt Hinweis

ÖVP-U-Ausschuss

Statt einem anonymen Tipp nachzugehen, wonach die Soko Ibiza befangen sei, ermittelte Bernd Schneider gegen den unbekannten Hinweisgeber.

Wien, 21. April 2022 | Im ÖVP-Korruptionsausschuss wurden fragwürdige Vorgänge publik. Als die Staatsanwaltschaft Wien (StA Wien) mit einem anonymen Tipp zur Befangenheit von Soko IBIZA/TAPE-Beamten (inklusive Namensnennung) befasst worden war, hatte Staatsanwalt Bernd Schneider ein Ermittlungsverfahren eröffnet – gegen den unbekannten Hinweisgeber. Vor dem ÖVP-Korruptionsausschuss sagte er, es hätten sich aus dem Hinweis mehrere mögliche Strafdelikte ergeben, unter anderem Verleumdung. Von etwaigen Ermittlungen hinsichtlich Befangenheit der Soko IBIZA erzählte Schneider nicht. Eine solche Befangenheit hatte er bereits in seiner letzten Befragung vor dem Ibiza-U-Ausschuss verneint.

Mit dem Thema musste sich Schneider aber auch danach befassen. Anfang Juli 2021 hatten sich drei Spitzen-Mitglieder der Sondereinheit AG FAMA, mit der Schneider zusammengearbeitet hatte, für befangen erklärt. Sie erhielten daraufhin Opferstatus. Unter den Befangenen: Ex-Soko-Ibiza-Leiter und jetziger Kripo-Chef Andreas Holzer, dessen Nachfolger Dieter C. und Karl O.

Suche nach dem Hinweisgeber

Schneider sagte am Donnerstag im U-Ausschuss, er habe den anonymen Hinweisgeber zuerst via IP-Adresse ausforschen wollen. Laut seiner Aussage – und nach Auskunft der Grünen auch laut Ermittlungsakt – soll aber erst die Auswertung des Handys von Ex-BVT-Beamten Egisto Ott den entscheidenden Hinweis gegeben haben.

Dort hätten sich in Chats ähnliche Formulierungen gefunden wie in der anonymen Befangenheits-Meldung. Und: Aus den Chats wollen die Ermittler erfahren haben, wo sich der Stick mit den BMI-Chats befinde.

Reiner „Opfer-Stick“ – trotz Anzeigen

Die BMI-Chats stammen vom Handy des ehemaligen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gegen den mittlerweile ermittelt wird. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. Schneider betonte in seiner Befragung, er habe den Stick (dieser wurde bei einer Hausdurchsuchung gezielt gesucht und gefunden) rein als „Opfer-Stick“ behandelt. Daher habe er weder die schnelle Auswertung der Daten vorangetrieben, noch habe er den Stick auf bestimmte Verdachtsmomente untersucht. Das Handy ohne Verdachtsmomente zu untersuchen, spiegle aus seiner Sicht Überwachungsstaat-Methoden wider, so Schneider.

Der Stick mit den BMI-Chats war ab März 2021 bei der StA Wien gelegen. Als im Verlauf erste ZackZack-Berichte und das Peter Pilz’ Buch “Kurz – ein Regime” inklusive Chats veröffentlicht wurden, behandelte Schneider Kloibmüller jedoch weiter als Opfer und nicht als möglichen Täter. Der USB-Stick mit den BMI-Chats war daher weiterhin nicht Teil des Ermittlungsakts.

Großteil der Tatbestände nun verjährt

Aus den BMI-Chats ergeben sich einige Verdachtsmomente, von denen die meisten mittlerweile verjährt sind, wie im U-Ausschuss beklagt wurde. Alleine 49 in der Zeit, in der die Chats bei der StA Wien lagen. Einer der möglichen Tatbestände verjährt am 22. April, einer wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) vor der Verjährung „gerettet“, wie es Grünen-Abgeordneter David Stögmüller ausdrückte. Die WKStA ermittelt gegen U-Ausschuss-Vorsitzenden Wolfgang Sobotka (ÖVP) seit Ende März wegen Amtsmissbrauch. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung.

Mit Dezember 2021 sei Schneider dann zur Staatsanwaltschaft St. Pölten gewechselt – aus privaten Gründen, wie er sagte. Er habe bis zu seinem Wechsel keine genauen Kenntnisse über die Inhalte der Chats gehabt. Ein Abschlussbericht des ITlers, der mit der Auswertung beauftragt worden war, sei bis dahin nicht vorgelegen, so Schneider. Dieser habe ihn nur oberflächlich über die Auswertung in Kenntnis gesetzt.

ZackZack liegt ein Abschlussbericht der AG FAMA vom Juli 2021 vor. Adressat: die Staatsanwaltschaft Wien. Der Redaktion liegt zudem ein Ausfertigungsvermerk des ITlers aus dem September 2021 vor, der von Schneider unterschrieben wurde. Aus dem Juli-Bericht geht hervor, dass sich in den Daten Informationen zu “laufenden Observationen” und “politisch brisante Informationen” befinden. In der Staatsanwaltschaft waren also zumindest diese Inhalte bekannt, als Schneider noch fallführender Staatsanwalt war. Der September-Vermerk hält dann sogar fest, dass Daten gesichert und deren Strukturierung abgeschlossen sei. Schneider bestritt am Donnerstag dennoch, Detailkenntnis über den Inhalt des Sticks gehabt zu haben.

Er könne zu den BMI-Chats und entsprechenden Verfahren auch deshalb keine Auskunft geben, weil er seit seinem Wechsel nach St. Pölten keine Akteneinsicht mehr habe.

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Pia Miller-Aichholz
Pia Miller-Aichholz
Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich
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31 Kommentare

  1. Ganz normal in Absurdistan……Neuwahlen und Austausch der ganzen gefährlichen politisch Ferngesteuerten !!!!!

  2. Für das Fussvolk, quasi den Pöbel ist die Justiz wohl wirklich unabhängig. Sobald jedoch die höheren Mächte ins Spiel kommen (traditionelle Parteien, politiknahe Organisationen, große private Unternehmen oder die österreichischen Plutokraten) sind Zweifel durchaus angebracht. Man erinnere sich an folgende Ereignisse:
    1. BAWAG Prozess wo Flöttl junior mit dem Argument von kaputten Festplatten und dem Verschwinden von mehreren Milliarden EUR durchkam (Richterin wurde später Justizministerin)
    2. Kaprun Prozess wo alle Beschuldigten straffrei gingen. Leiter der Ermittlung wurde Chef des BKA, Anwalt Brandstätter Justizminister, Anwalt Haslauer Landeshauptmann. 155 Tote ungesühnt obwohl der fehlerhafte Einbau des Heizlüfters nachgewiesen wurde. Google: Zeit.de Kaprun
    3. Eigenartige Todesfälle bei Fall Kampusch, Alijew und Co.
    4. Hypo Alpe Adria, wo es lediglich Bauernopfer gegeben hat. Die wirklichen Nutzeniesser, die österreichischen Banken hat man gar nicht belangt.

    • … der damalige Finanzminister die Verstaatlichung in einer Nacht und Nebelaktion durchgeführte (Hypo Alpe Adria), hat die Verluste der Banken verstaatlicht und am meisten dem “grünen Kraken” (Giebelkreuz) Milliarden erspart. Kurz danach gleich aus der Politik verabschiedet (gesundheitlich 😉) und beim Giebelkreuz wohlwollend versorgt. Dort kann er hunderte Jahre mit Bestbezahlung dienen, was noch immer Peanuts sind gegenüber dem Geschenk, dass er damals als Finanzmister wohlwissend dem Giebelkreuz machte. Der ehemalige RH Präsident Dr. Franz Fiedler bemerkte damals zum Skandal der Hypo, sollte die Wahrheit ans Tageslicht kommen, würde in der Republik kein Stein auf dem Anderen bleiben !!!!
      … und die ROTEN haben zugesehen bzw. wieder einen ” Deal” im Hinterstübchen ausgemacht 😉
      Das ist Operettenstaat, Brutto für Netto (Trog).
      Irreal und doch Realität weil kein Schaf 🐑 gewillt ist zu denken, so lebt es sich leichter. Bis die Schafe merken, dass die Füße abgeschnitten wurden und vom Esteblishment Krücken ausgegeben werden ! Und mit diesem Geschenk muss dann ein vom Establishment angeordneter 100 Meter Lauf gewonnenen werden, danach sind die ersten Schulterklopfer beim Sieger natürlich die Politiker für ein Foto 😉

      • … ein grüner oppositioneller Politiker Namens Kogler, reiste in Bezug “Skandal” Hypo Kärnten Jahrelang durchs Land und hielt Vorträge gegen das korrupte Establishment 😉
        Hr. Vizekanzler Kogler tritt heute die Grundrechte und den Datenschutz mit Füßen, den er als Oppositionspolitiker für das “Heiligste” gepriesen hat, spielt fürn “Familienclan” den Wasserträger und säuft ohne genierer am Trog!!
        “So sind wir”
        im Operettenstaat

  3. Dieser “unabhängige” Staatsanwalt wird den gleichen Weg gehen, wie der Staatsanwalt im Tierschützer Prozess.

    Wenn er brav die Aufdecker verfolgt anstatt der Täter (was von ihm seine Vorgesetzen aus der ÖVP Justiz-Seilschaft erwarten), dann folgt in spätestens einem Jahr die Beförderung zum Oberstaatsanwalt. War beim devoten Türschützer-Staatsanwalt genau so. Obwohl er mit seiner Soko ZEHN Millionen für nichts verschleudert hat.

    Hauptsache angepasst an die Befehle von oben. So funktioniert Strafverfolgung im Bananenstaat Österreich!

  4. Familienclans führen einen selbst gezimmerten Operettenstaat. Die jahrelang weitverzweigte Verwurzelung macht sich bezahlt und schützt ihre Mitglieder, oder wie selbst gesagt, sogar die Prätorianer.
    “Wir sind Familie”, kann man übersetzen damit es jeder versteht (kurz und prägnant)
    Dekadente Überheblichkeit mit einer präpotänten Machtausübung (wir sind unantastbar, weil wir ALLES unter “Kontrolle” haben)
    ” SO SIND WIR” (nicht), oder doch 😉

  5. Jetzt kenn ich mich überhaupt nicht mehr aus. In den Medien liest man doch immer, vor dem U-Ausschuss müsste man die Wahrheit sagen O_O

    Aber die Bekanntschaft mit einer bestimmten Partei wirkt sich nachteilig auf das Gedächtnis aus. Medizinisch bestätigtes Faktum.

  6. Wir haben eine Grüne Justizministerium. Vielleicht wär sie so lieb und würd sich dem Thema der versifften Staatsanwaltschaften annehmen…. Danke!

    • die wird von ihrem grünen Lulu zurückgepfiffen, damit die Koa nicht zerbricht und der Futtertrog f d grünInnen weg ist

  7. Das Argument mit dem Polizeistaat finde ich allerdings bemerkenswert. Denn alles riecht nach Polizeistaat und nicht nach korrekter Ermittlung und dann wird korrekte Ermittlung von einem Staatsanwalt als Polizeistaatmethode betrachtet.

    Der Irrsinn steckt da im Detail. Oder war es der Teufel?

    • Als Befragter vorm UA nicht. Oder als Zeuge vor Gericht auch nicht. Es gibt aber kein Gesetz, das Staatsanwälten verbietet, vor Gericht zu lügen.

  8. Staatsanwälte und Richter tun was sie wollen und nicht was sie sollen. Die Justiz kontrolliert sich selbst und das funktioniert überhaupt nicht. Man kennt sich und man richtet sich’s – daher heißen sie wohl Richter. Sie sind “Machtgeil, bequem, entscheidungsfaul” so Thorsten Schleif selbst Richter. Amtsmissbrauch innerhalb der Justiz scheint totes Recht zu sein.

    WKSTA Chef: „Die Interventionen erfolgen ja nicht am Dienstweg.“ Daher ist mehr Unabhängigkeit eine gefährliche Drohung. Die Justiz kontrolliert sich selbst und das funktioniert überhaupt nicht. Die Justiz ist mehr am Image in der Öffentlichkeit als an Recht und Gerechtigkeit interessiert.

  9. Ist er also in den Schoß der Familie zurückgekehrt und aus der Schusslinie gebracht worden. Auch sehr aufschlussreich…
    Es muss heller werden Österreich!

  10. Momentan muss man echt froh sein mit dem Gesetz nicht in Konflikt zu kommen. Gekaufte Zeugen werden von Richtern als seriös eingestuft, obwohl sich bei allen anderen die Zehennägel aufdrehen. Staatsanwälte sind käuflich – mit Aufstiegsmöglichkeiten seitens der ÖVP-
    es ist nicht wirklich lustig

    FRAU ZADIC!!!!!!!!!!!

  11. Was mir bei diesem (selbstverständlich unschuldsvermutetem und formal kausal gänzlich frei assoziiert bezeichneten) “Handlanger mieser Netzwerkmachenschaften” wieder mal ganz besonders sauer aufstößt, ist der hier so geschilderte mutmaßlich üblich schlampige, usurpierte Modus Operanti; dass es offenbar im einzelnen Ermessen(!?) staatsanwaltschaftl. Verantwortung läge, weitere Vorgangsweisen zur Erhärtung faktischer Verdachtsmomente situativ elastisch auszubaldobern …
    Darf / muss Österreich sich wirklich nur auf Staatsanwälte verlassen können, die einer intuitiven(!?) “Einschätzung” der Verdachtslage folgen mögen(!) – oder dürfen’s pragmatisch auch kausale Zusammenhänge sein?
    Ja, wo SIMMA denn wirklich … !? (wenn man unangenehm empfundene Beweismittel-Hinweise “einfach so” mal auch links liegen lassend ignorieren kann?)
    [Alles hier Geschriebene ist – geschworen! – nur frei erfunden! Ganz wichtig, um Gelegenheiten vorzubeugen, mir mit Klagen auf den Pelz rücken können!]

    • Nur “ein Schippchen” harmloser Frage sei mir an dieser Stelle bitte noch gestattet, Herr Staats-an-walt: Wird hier gelegentlich Staatsan- mit Staatsgewalt-schaft verwechselt???

  12. Verfahrensverschleppung? Lügen? Parteilichkeit? Amtsmissbrauch?

    Wäre nur das, was mir in der Schnelligkeit auffällt.

  13. Ich halte Staatsanwalt Bernd Schneider für gefährlich – meiner Ansicht nach müsste er aus dem gesamten juristischen Bereich abgezogen werden.

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