Freitag, Dezember 13, 2024

ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss startet

Ab Mittwoch befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit mutmaßlicher Korruption in der ÖVP. Untersucht werden die Zeit, in der Kurz seine Kanzlerschaft vorbereitete, seine Regierungszeiten und der Zeitraum der Bierlein-Expertenregierung. Der U-Ausschuss gilt als Fortsetzung und Ausweitung des Ibiza-U-Ausschusses.

Wien, 1. März 20022 | Am Mittwoch startet der Untersuchungsausschuss, der mutmaßliche Korruption der ÖVP und in deren Umfeld untersucht. Insgesamt 24 Personen sind bisher geladen, davon für den ersten Tag Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), Investor Sigi Wolf, Ex-ÖBAG-Chef Thomas Schmid und Investor Alexander Schütz.

Ob Sigi Wolf kommt, ist fraglich. Er hat auf Termine im Ausland verwiesen. Thomas Schmid hat in der Woche vor dem U-Ausschuss-Start angekündigt, nicht zu kommen. Er hat Wohnsitz in Amsterdam angemeldet. Damit kann Schmid nicht durch Beugestrafen oder durch polizeiliche Vorführung vor den U-Ausschuss bekommen werden.

SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer ist aber guter Dinge: „Wenn Thomas Schmid glaubt, sich dauerhaft dem Untersuchungsausschuss entziehen zu können, ist er rechtlich nicht gut beraten“, sagte er gegenüber ZackZack. Alexander Schütz wird kommen.

Besonderer Fokus auf Kurz-Regierungen

Untersucht wird laut Parlamentskorrespondenz vom 26. Jänner, „inwiefern Vorteile an mit der ÖVP verbundene Personen durch Organe der Vollziehung des Bundes zu parteipolitischen Zwecken gewährt wurden“. Die geladenen Personen werden je nach ihrer Position zur ÖVP zu deren möglicher Einflussnahme auf Vergabe- und Förderverfahren, auf Beteiligungen des Bundes und auf Ermittlungen sowie zu Postenschacher befragt.

Der Ausschuss wird sich besonders auf die Zeit konzentrieren, in der Sebastian Kurz Bundeskanzler war, aber auch die Zeit davor – Stichwort Projekt Ballhausplatz – und jene der Übergangsregierung nach dem Ibiza-Skandal. Man kann den U-Ausschuss unter anderem deshalb nicht nur als Fortsetzung des Ibiza-U-Ausschusses verstehen, der im September 2021 endete, sondern auch als Erweiterung.

Eine Ladung an Sebastian Kurz ist bisher nicht ergangen, könnte aber in Zukunft anstehen. „Bisher ist noch jeder Ex-Kanzler vor einem U-Ausschuss erschienen“, so Kai Jan Krainer gegenüber ZackZack. Kurz arbeitet mittlerweile für den deutsch-US-amerikanischen Investor und Trump-Unterstützer Peter Thiel und pendelt zwischen Wien und San Francisco.

Wolfgang Sobotka wieder Vorsitzender

Wie auch im Ibiza-U-Ausschuss wird Wolfgang Sobotka (ÖVP) den Vorsitz führen. Wiederholte Aufforderungen, den Vorsitz aufgrund seiner Nähe zum Untersuchungsgegenstand abzugeben, haben Sobotka kalt gelassen. Sobotka hat stets behauptet, als Erster Nationalratspräsident „verpflichtet“ zu sein, den Ausschuss zu leiten.

Nach der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA) kann sich Sobotka jedenfalls durch den Zweiten oder Dritten Nationalratspräsidenten vertreten lassen. Genau das hat Sobotka nun für den zweiten Befragungstag, den 3. März, angekündigt, wie ZackZack am Montag berichtete. An diesem Tag wird unter anderem ZackZack-Herausgeber Peter Pilz geladen sein. Die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) wird die Befragungen übernehmen. Auch bei der Befragung ehemaliger Mitarbeiter will sich Sobotka vertreten lassen.

Andreas Hanger führt wieder die ÖVP-Fraktion an. Er war für ein Statement nicht erreichbar. Hanger hat im Vorfeld des U-Ausschusses beklagt, Sobotka würde gemobbt und bei einem Pressetermin am Montag gesagt, er sehe den Untersuchungsgegenstand „juristisch kritisch“, weil eine Partei nicht Untersuchungsgegenstand sein könne, sehe ihm aber „gelassen“ entgegen.

Bekannte Gesichter an Spitzen der Fraktionen

Auch an der Spitze der anderen U-Ausschuss-Fraktionen finden sich aus dem Ibiza-U-Ausschuss vertraute Gesichter: Kai Jan Krainer führt die SPÖ-Fraktion an. Er sagte hinsichtlich des ersten U-Ausschuss-Tages gegenüber ZackZack: „Mittwoch ist nur der Startschuss, der Untersuchungsausschuss wird sehr lange dauern.“

Steffi Krisper steht an der Spitze der NEOS-Fraktion. NEOS sei bewusst, dass der U-Ausschuss aufgrund des seit ein paar Tagen tobenden Krieges auf europäischem Boden in den Hintergrund treten werde, sagte sie ZackZack. „Wir müssen im Ausschuss dennoch unsere Arbeit für eine starke Demokratie in unserem Land tun – denn Österreich leidet an der Krankheit Korruption“, so Krisper.

Nina Tomaselli führt die Grünen-Fraktion an. Sie hat im Vorfeld von der ÖVP gefordert, alles auf den Tisch zu legen, und hatte auch dafür plädiert, dass Sobotka den Vorsitz zurücklegt. Sein Vorsitz sorge für zu viel Streit, das hätte der Ibiza-U-Ausschuss gezeigt.

Zusammen mit Tomaselli sitzt David Stögmüller für die Grünen im Untersuchungsausschuss. Im Zentrum des U-Ausschusses stehe eine „machtgeile Clique“ – so Stögmüller gegenüber ZackZack – die sich fernab jeglicher Regulatorien an die Macht gehievt habe. Dann habe sie Posten mit ihren Freunden besetzt, „Superreichen“ Vergünstigungen beschafft und mit frisierten Umfragen Marktmanipulation betrieben. „Damit haben sie nicht nur die eigene Partei betrogen, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger“, resümiert Stögmüller. Die Grünen wollen im U-Ausschuss verlässlich und konsequent aufklären.

Christian Hafenecker, Fraktionsführer der FPÖ, sieht den ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss als logische Konsequenz aus dem Ibiza-U-Ausschuss. Dieser sei aus Sicht der FPÖ vorzeitig abgedreht worden, in einer Phase, in der klar geworden wäre, dass weiter untersucht werden müsse. Die ÖVP hätte nämlich einen “tiefen Staat” errichtet, so Hafenecker gegenüber ZackZack, „mit wesentlichen Machtbasen Innenministerium, Justizministerium und Finanzministerium.“ Das werde auch der Fokus im neuen Untersuchungsausschuss sein.

Wichtiges Minderheitenrecht des Parlaments

Der ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ist formell der 27. Untersuchungsausschuss in der 2. Republik. Bekannte U-Ausschüsse sind etwa jener um den Lucona-Skandal und jener um die Noricum-Affäre, an deren Aufklärung Peter Pilz als Grüner Nationalratsabgeordneter maßgeblich beteiligt war.

Untersuchungsausschüsse sind seit 2014 ein sogenanntes Minderheitenrecht des Parlaments. Schon ein Viertel der Abgeordneten im Parlament reichen, um zu verlangen, dass ein U-Ausschuss eingesetzt wird. Ob letztendlich einer eingesetzt wird, bestimmt der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrats.

Mit Untersuchungsausschüssen steht der Legislative also ein niederschwelliges Instrument zur Kontrolle der Exekutive zur Verfügung, wenngleich die Kontrolle nur nachträglich erfolgen kann. Der Untersuchungsgegenstand muss nämlich in der Vergangenheit liegen.

(pma)

Titelbild: Florian Schroetter/EXPA

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

LESEN SIE AUCH

Liebe Forumsteilnehmer,

Bitte bleiben Sie anderen Teilnehmern gegenüber höflich und posten Sie nur Relevantes zum Thema.

Ihre Kommentare können sonst entfernt werden.

17 Kommentare

17 Kommentare
Meisten Bewertungen
Neueste Älteste
Inline Feedbacks
Zeige alle Kommentare

Jetzt: Assingers Stinkefinger in Breitenfurt

Nur so unterstützt du weitere Recherchen!