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ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss – Peter Pilz: neues Material für Untersuchungen und ÖVP-Unmut

ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss

Die Befragung von ZackZack-Herausgeber Peter Pilz wurde von den oppositionellen Fraktionen mit Spannung erwartet. Er hatte bereits angekündigt, dem U-Ausschuss brisantes neues Material zu liefern. Die ÖVP beharrte auf ihrer unbelegten Anschuldigung, die BMI-Chats seien illegales Material.

Wien, 04. März 2022 | Die Fraktionsführer der Opposition hatten in den morgendlichen Pressestatements gesagt, schon gespannt auf die Befragung von ZackZack-Herausgeber Peter Pilz zu sein. Am Vorabend des ÖVP-Korruptions-U-Ausschusses hatte SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer gemeint, die Befragung von Peter Pilz würde „erste Reihe fußfrei für uns“.

Pilz hatte angekündigt, dem U-Ausschuss Dokumente vorzulegen, die diesem noch nicht bekannt wären. „Ich habe mich 30 Jahre lang gefragt, wie es auf dieser Seite ist, heute erlebe ich das zum ersten Mal“, sagte Peter Pilz eingangs dazu, erstmals als Auskunftsperson im U-Ausschuss zu sitzen. Er hatte in seiner Zeit als Abgeordneter an zehn U-Ausschüssen mitgewirkt.

Neues Material für den U-Ausschuss

Versprochen gehalten: Peter Pilz bringt ein 49-seitiges Konvolut an Dokumenten mit, die von jenem USB-Stick stammen, der die Quelle der BMI-Chats ist. Die Chats stammen vom Handy von Michael Kloibmüller, Wolfgang Sobotkas ehemaligem Kabinettschef im Innenministerium. Den Stick mit dem vollständigen Material hatte Peter Pilz Anfang Februar bereits an die WKStA übergeben. Dem U-Ausschuss legt er nur Dokumente vor, die den Untersuchungsgegenstand betreffen.

Als die BMI-Chats, journalistisch aufgearbeitet durch ZackZack, öffentlich wurden, erhob die ÖVP die Anschuldigung, seien mittels einer Straftat an Peter Pilz gelangt – ohne jemals Beweise dafür vorzulegen. Am ersten U-Ausschusstag zeichnete sich ab, dass die ÖVP dieses Narrativ weiter bemühen würde: Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) bezeichnete die Chats als „illegal“.

Am zweiten Tag führte Christian Stocker (ÖVP) diese Linie fort. Die Auskunft von Peter Pilz unter Wahrheitspflicht, er habe die Informationen nicht auch rechtswidrigem Weg erhalten und sie mit allen ihm möglichen Mitteln auf ihre Verlässlichkeit geprüft, war Stocker nicht genug. Bloße Beteuerungen der Auskunftsperson bewiesen nichts, sagte er. Er forderte eine Sitzungsunterbrechung, damit sich alle Fraktionen die Dokumente ansehen und dann über deren Zulässigkeit entscheiden könnten. Neues Material für Aufregung seitens der ÖVP lieferte Peter Pilz mit seinem Konvolut also ebenfalls.

Vorsitz von Bures kommt bei ÖVP nicht gut an

Vorsitzende Doris Bures wandte sich stattdessen an den Verfahrensrichter und fragte diesen um seine Einschätzung. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl war zu dem Zeitpunkt bereits damit beschäftigt, das Konvolut durchzublättern. Er hatte im Ibiza-Untersuchungsausschuss das Amt von Ilse Huber übernommen und ist nun auch Richter im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.

Bures hatte ihn ersucht, vorsichtshalber eine Einschätzung zum neuen Material zu geben, bevor es an die Fraktionen verteilt würde. Dass Bures Stockers Bitte auf eine Unterbrechung und Verteilung der Unterlagen an alle Fraktionen nicht nachkam, wertete dieser als Bruch der Verfahrensordnung. „Derartige Verletzungen der Verfahrensordnung hätte es unter Sobotka nie gegeben“, macht Stocker später vor Medienvertretern seinem Ärger Luft.

Die Schlussfolgerung des Richters nach dem Blättern: Es sei nicht möglich, das Konvolut auf die Schnelle in seiner Gesamtheit beurteilen zu können. Er würde es eher nicht zulassen und wenn, dann auf Geheimhaltungsstufe 2 klassifiziert – nicht medienöffentlich.

Doris Bures lässt die Fraktionen zur Klassifizierung abstimmen. Alle bis auf die ÖVP sind dafür, die Dokumente auf Stufe 1 einzuordnen. Die Sitzung bleibt damit medienöffentlich. Dass Vorsitzende Bures nicht der Einschätzung des Richters folgt, sondern die Fraktionen über die Klassifizierung der Dokumente abstimmen lässt, wertet Stocker ebenfalls als Verfahrensordnungsbruch.

Die anderen Fraktionen und die Medienvertreter, das ist in den Übertragungsräumlichkeiten zu vernehmen, sind der Ansicht: Doris Bures’ Vorsitz ist eine Wohltat.

Geheimnisvolles Redaktionsgeheimnis

Stockers Resümee am Ende des Tages zur Befragung von Peter Pilz: „Er war eine Auskunftsperson, die nichts Neues beitragen konnte.“ Immer dort, wo Aufklärung nötig gewesen wäre, hätte sich der ZackZack-Herausgeber auf das Redaktionsgeheimnis berufen. Stocker hatte zuerst, wie auch der Verfahrensrichter in seiner Erstbefragung, nach dem Namen von Pilz Informanten gefragt. Pilz macht beide Male klar, dass er seine Quelle schütze. Stocker versucht Ort der Übergabe der Informationen, den genauen Zeitpunkt der Übergabe zu erfahren und jene Quellen, die Peter Pilz bemüht hat, um zu prüfen, ob die Kloibmüller-Chats echt nicht. Pilz‘ wiederholte Berufung auf das Redaktionsgeheimnis machte Stocker keine Freude.

„Ich erzähle Ihnen gerne, wie man , aber ich erzähle Ihnen nicht, mit wem“, steckt Pilz die Grenzen seiner Auskunftsfreude ab. Verfahrensrichter Pöschl gibt ihm Recht: Das Redaktionsgeheimnis ist laut Verfahrensordnung legitimer Grund dafür, dass eine Auskunftsperson eine Auskunft verweigert.

Die BMI-Chats, das berichtet Peter Pilz dem U-Ausschuss, weisen auf mutmaßliche enge Verstrickungen zwischen Strafjustiz, Staatsanwaltschaft und Ermittlungsbehörden hin, auf Parteibuchwirtschaft – auch etwa mit Hinweis darauf, damit „den Sozen zu zeigen, wo der Hammer hängt“ –, auf parteipolitische Einflussnahme auf Verordnungen und Erlässe zugunsten der ÖVP, auch wenn ein Parteimitglied dadurch geschädigt und Hilfebedürftige dadurch abgewiesen werden. All diese angesprochenen mutmaßlichen Missstände regen Stocker nicht zu Nachfragen an.

Die Sache ist komplex

Auskunftsfreudig ist Peter Pilz nämlich durchaus – so sehr, dass es bisweilen schwer fällt, ihm von Sachverhalt A über Sachverhalt O hin zu Sachverhalt X und wieder zurück zu Sachverhalt A zu folgen. Zweierlei steht nach seiner Befragung fest: Es gibt vieles, das er für untersuchungswürdig hält und die Verstrickungen, die aus den Kloibmüller-Chats hervorgehen, sind komplex. Pilz holt weit aus, streift die Strasser-Mails (2008/09) und die Eurofighter-Affäre (2017).

Zweimal ermahnt ihn Doris Bures, kürzere Antworten zu geben. Pilz ist einsichtig. Er erinnere sich daran, wie sehr es ihn in seiner Zeit als Abgeordneter in U-Ausschüssen genervt habe, wenn sich Auskunftspersonen in Ausschweifungen verloren hätten. Er gelobt Besserung. Auf die Frage von Christoph Matznetter (SPÖ), ob sich aus den Chats mehrfach der Verdacht auf Missbrauch von Gesetzgebung für parteipolitische Zwecke ableite, findet Pilz jedenfalls eine knappe Antwort: „Ja.“ Er fügt hinzu, er könne die Sachverhalte nicht strafrechtlich bewerten, aber er sehe Anlass, sie sich genauer anzuschauen. Deshalb habe er den gesamten Datenbestand auch der WKStA übergeben. Und weil er befürchtet habe, „dass die StA Wien trotz Kenntnis der Sachverhalte keine Ermittlungen durchführt.“

(pma)

Titelbild: APA Picturedesk

Autor

  • Pia Miller-Aichholz

    Hat sich daran gewöhnt, unangenehme Fragen zu stellen, und bemüht sich, es zumindest höflich zu tun. Diskutiert gerne – off- und online. Optimistische Realistin, Feministin und Fan der Redaktions-Naschlade. @PiaMillerAich

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